Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Klagzulassung nach § 5 KSchG. Übergangsregelung. intertemporales Zivilprozessrecht. Vertreterverschulden. Zurechnung von Verschulden von Mitarbeitern einer Einzelgewerkschaft. Konkretisierung nach Ablauf der 2-Wochenfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mangels Überleitungsvorschrift ist nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechtes bei einem Antrag auf nachträgliche Zulassung das Prozessrecht in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

2. Wird bei einem Beschluss nach § 5 KSchG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde noch im zeitlichen Geltungsbereich des alten Rechtes eingelegt, richtet sich Statthaftigkeit und sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen nach altem Recht.

3. In der Sache selbst hat das Landesarbeitsgericht nach den neuen Verfahrensvorschriften zu entscheiden. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist als Zwischenurteil über den Antrag auf nachträgliche Zulassung zu bewerten.

4. Das Verschulden eines Mitarbeiters einer Einzelgewerkschaft ist nicht über § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbar, wenn die Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig an die „DGB-Rechtsschutz GmbH” weitergeleitet wird.

 

Normenkette

KSchG § 5; ZPO § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 15.01.2008; Aktenzeichen 7 Ca 378/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.05.2009; Aktenzeichen 2 AZR 548/08)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 15.01.2008, Az. 7 Ca 378/07 abgeändert.

Die Kündigungsschutzklage vom 13.09.2007 – betreffend die Kündigung vom 18.07.2007 – wird nachträglich zugelassen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der 1951 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 01.10.1991 mit einem monatlichen Bruttoentgelt von EUR 2.600,00 beschäftigt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 18.07.2007, zugegangen am 19.07.2007, das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2008 gekündigt. Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2007 Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich beantragt, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Erstinstanzlich hat der Kläger hierzu wie folgt vorgetragen:

Im Antrag auf nachträgliche Zulassung vom 13.09.2007 hat der Kläger unter Beifügung einer eidesstattlichen Versicherung der Verwaltungsangestellten der Gewerkschaft N. Region Baden-Württemberg Süd, Frau F. vom 12.09.2007 vorgetragen, er habe dieser am 20.07.2007 im Büro die Kündigung abgegeben. Unterlagen dieser Art würden dem Geschäftsführer übergeben. Dieser weise an, ob Rechtsschutz genehmigt werde oder nicht. Anschließend erhalte Frau F. die Unterlagen zurück und stelle die Akten zur Weiterleitung an den DGB-Rechtsschutz zusammen. Frau F. habe aufgrund von Umbauarbeiten die Akte nicht entsprechend weitergeleitet, sondern versehentlich zu den während des Umbaus ausgelagerten Unterlagen gegeben und dies erst nach Rückführung der Akten am 11.09.2007 bemerkt.

Im weiteren Schriftsatz vom 15.10.2007 hat der Kläger vorgetragen, dass Frau F. für den Erstkontakt mit den Mitgliedern, welche des Rechtsschutzes bedürfen, zuständig sei. Sie entscheide selbstständig, ob sie in der Lage sei, die Aufnahme allein oder abschließend durchzuführen oder, ob eine intensive Rechtsberatung durch den Geschäftsführer notwendig sei. Bearbeite sie den Fall alleine, würde dem Mitglied der Arbeitsrechtsbogen und die Vollmachten übergeben. Im Falle der Rechtsberatung durch den Geschäftsführer würden die Akten ohne Arbeitsrechtsbogen und Vollmachten zusammengestellt. Das Mitglied erhalte einen Termin beim Geschäftsführer. In diesem Rechtsberatungstermin würden dann die Vollmachten und der Arbeitsrechtsbogen ausgefüllt werden. Im Falle des Klägers habe sie die Unterlagen zur Seite gelegt, um sie dem Geschäftsführer zur Bearbeitung zu übergeben, da aufgrund des Hintergrundes der Kündigung dies ein Rechtsfall gewesen sei, der zur Beratung dem Geschäftsführer vorgelegt werde. Am 20.07.2007 habe der Kläger beim Geschäftsführer einen Besprechungstermin gehabt. Das vorgesehene Gespräch mit dem Geschäftsführer habe nicht stattgefunden, da dieser durch einen anderen Termin verhindert gewesen sei. Da er Kündigungsschutzklage habe einreichen wollen, habe er die Kündigung übergeben und darum gebeten, Entsprechendes zu veranlassen. Von Frau F. habe er weder Vollmachten noch den Arbeitsrechtsfragebogen erhalten. Eidesstattliche Versicherungen entsprechend diesem Vortrag sind nicht erfolgt.

In dem weiteren Schriftsatz vom 19.11.2007 hat der Kläger vorgetragen, er habe darauf vertrauen können, dass die Gewerkschaft die erforderlichen Schritte einleite und die Frist zur Erhebung der Klage überwache. Ziel des Besprechungstermins mit dem Geschäftsführer sei es gewesen, Kündigungsschutzklage zu erheben.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2007 hat der Kläger zur Korrektur bisherigen Vortrages vorgetragen, dass Frau F. nicht in alleiniger Entscheidungskompetenz überlassen sei, darüber zu entsc...

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