Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei der Zuweisung von Beschäftigten in einzelne Dienstpläne. Unterlassungsantrag des Betriebsrats bei der Zuweisung neu eingestellter Beschäftigter aufgrund mitbestimmter Rahmendienstpläne

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage; Zweck dieses Mitbestimmungsrechts ist es, die Interessen der Beschäftigten an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung des Privatlebens zur Geltung zu bringen.

2. Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfasst nicht nur die Frage, ob im Betrieb in mehreren Schichten gearbeitet werden soll, sondern auch die Festlegung der zeitlichen Lage der einzelnen Schichten und die Abgrenzung des Personenkreises, der Schichtarbeit zu leisten hat; mitbestimmungspflichtig ist auch der Schichtplan und dessen nähere Ausgestaltung bis hin zur Zuordnung der Beschäftigten zu den einzelnen Schichten.

3. Im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat auch darüber mitzubestimmen, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise von bereits aufgestellten Schichtplänen abgewichen werden kann; das gilt insbesondere bei Schichtumsetzungen.

4. Die Betriebsparteien sind frei in der Entscheidung, ob sie sich auf eine Regelung über die Grundsätze der Schichtplanung beschränken, oder ob sie jeden einzelnen Schichtplan selbst aufstellen wollen; begnügen sie sich mit der Regelung von Kriterien und Grundsätzen, kann der Arbeitgeberin die Aufstellung von Einzelschichtplänen nach diesen Vorgaben überlassen werden.

5. Wird das Mitbestimmungsrecht durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung ausgeübt, kann diese vorsehen, dass die Arbeitgeberin unter bestimmten und in der Betriebsvereinbarung geregelten Voraussetzungen eine Maßnahme allein treffen kann; durch eine solche Regelung darf das Mitbestimmungsrecht allerdings nicht in seiner Substanz beeinträchtigt werden, so dass der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben kann, dass er der Arbeitgeberin das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet.

6. Die Zuweisung bestimmter Beschäftigter in bestimmte bestehende Dienstpläne unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn bei der Arbeitgeberin lediglich (Rahmen-) Dienstpläne bestehen, die vom Betriebsrat mitbestimmt sind; der Mitbestimmungstatbestand erfasst alle Beschäftigten, die bestimmten Schichten zugewiesen werden, auch die neu eingestellten Beschäftigten.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 07.07.2015; Aktenzeichen 8 BV 29/14)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 22.08.2017; Aktenzeichen 1 ABR 4/16)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm, Kammern Ravensburg, vom 07.07.2015, Az: 8 BV 29/14, wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über einen betriebsverfassungsrechtlichen allgemeinen Unterlassungsanspruch. Der Betriebsrat will bei der Zuordnung von Arbeitnehmern zu bestehenden Dienstplänen mitbestimmen.

Der Antragsteller (Beteiligte zu 2) ist der bei der Niederlassung B. R. gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) ist ein bundesweit tätiges Dienstleistungsunternehmen mit 49 Niederlassungen B.. Die Niederlassung B. R. beschäftigt ca. 3.520 Arbeitnehmer, davon 302 im Bereich der stationären Verarbeitung. In Zeiten sogenannten Starkverkehrs, nämlich der Vorweihnachtszeit und der Sommerferienzeit, stellt die Arbeitgeberin zusätzliche Arbeitskräfte befristet ein. Bei diesen Einstellungen beteiligt die Arbeitgeberin den Betriebsrat nach § 99 BetrVG. Im vorliegenden Ausgangsverfahren hatte der Betriebsrat die Zustimmung zu 19 Einstellungen verweigert. Die Arbeitgeberin hat ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG und gem. § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ein Verfahren auf Feststellung, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, eingeleitet, das sich durch Zeitablauf erledigt hat. In diesem Verfahren hat der Betriebsrat die streitgegenständlichen Wideranträge gestellt.

Bei der Arbeitgeberin findet auf die Mitarbeiter ohne Zustelltätigkeiten der Tarifvertrag Nr. 37b vom 02.04.1998 (Bl. 140 - 144 der erstinstanzlichen Akte, künftig TV Nr. 37b) Anwendung.

Die Arbeitgeberin vereinbart mit dem Betriebsrat Dienstpläne, die nicht personenbezogen sind. Weder bei der Zuordnung eingestellter Mitarbeiter noch bei der Zuordnung neu eingestellter Mitarbeiter beteiligt die Arbeitgeberin den Betriebsrat. Die Zuordnung zu bestimmten Dienstplänen folgt auch nicht aus der Einstellungsunterrichtung im Sinne des § 99 BetrVG.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten,

ihm stehe bei der Zuordnung der Mitarbeiter zu den Dienstplänen ein...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge