Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Rechtsmittelgegner im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Berufungsgegner ist gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO Prozesskostenhilfe grundsätzlich erst zu gewähren, wenn die Berufung begründet worden ist (im Anschluss an BAG 15. Februar 2005 - 5 AZN 781/04 (A) - BAGE 113, 313).

 

Normenkette

ZPO § 119 Abs. 1 S. 2, § 516 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Aktenzeichen 6 Ca 191/16)

 

Tenor

  1. Der Antrag des Klägers vom 05.04.2017 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt E. wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I.

Der Antragsteller (im Folgenden: Kläger) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Rechtsverteidigung gegen eine zunächst eingelegte und sodann wieder zurückgenommene Berufung.

Die Parteien stritten erstinstanzlich um Vergütungsansprüche des Klägers, die das Arbeitsgericht ihm unter Klageabweisung im Übrigen mit Urteil vom 22. Februar 2017, das dem Kläger am 10. April 2017 und dem Beklagten am 11. April 2017 zugestellt wurde, teilweise zugesprochen hat.

Hiergegen legte der Beklagte am 27. März 2017 Berufung ein, wobei er deren Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehielt. Mit Schriftsatz vom 5. April 2017, beim Landesarbeitsgericht am 7. April 2017 eingegangen, zeigte der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers dessen Vertretung auch in der Berufungsinstanz an und beantragte, dem Kläger auch für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen. Am 19. April 2017 reichte der Kläger eine ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein.

Am 27. April 2017 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, die Berufungsbegründungsfrist um zwei Wochen zu verlängern, woraufhin mit gerichtlicher Verfügung vom 27. April 2017 eine entsprechende Fristverlängerung bis 26. Juni 2017 erfolgte. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2017, beim Berufungsgericht am 26. Juni 2017 eingegangen, nahm der Beklagte die eingelegte Berufung zurück.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 27. Juni 2017 wurde die Absicht bekundet, den Beklagten des Rechtsmittels der Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil für verlustig zu erklären und ihm die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Dementsprechende Anträge stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 13. Juli 2017.

Zuvor war der Kläger mit Verfügung vom 3. Juli 2017 darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen, und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis 20. Juli 2017 eingeräumt, woraufhin der Kläger am 14. Juli 2017 eine Stellungnahme abgegeben hat.

Mit Beschluss vom 19. Juli 2017 wurde der Beklagte des Rechtsmittels der Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 22. Februar 2017 für verlustig erklärt. Außerdem wurden ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Der Kläger trägt vor: Nach Berufungseinlegung durch den Beklagten habe er ein rechtliches Interesse an Beratung und Vertretung in Bezug auf sein weiteres Vorgehen gehabt. Die Frage der Einlegung eines Anschlussrechtsmittels habe im Raum gestanden. Auch die vorläufige Vollstreckung des arbeitsgerichtlichen Urteils sei vom eingelegten Rechtsmittel und den hieraus möglichen Komplikationen abhängig gewesen. Hinzu trete, dass der Beklagte eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt habe, wodurch sich das Verfahren weiter verzögert habe. Im Verfahren sei es um nicht erfüllte Vergütungsansprüche des Klägers gegangen, weshalb er ein vitales Interesse am Fortgang des Verfahrens gehabt habe. Es sei nicht zulässig, ihm in dieser Situation für Teile des Rechtszugs die Prozesskostenhilfe zu verweigern. Auch die nicht bemittelte Partei habe Anspruch darauf, im Rechtsmittelzug in gleicher Weise beraten und vertreten zu werden wie eine bemittelte Partei, was aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und der staatlichen Fürsorge für die nicht bemittelte Partei folge.

Der Kläger werde vorrangig versuchen, seinen Erstattungsanspruch gem.§§ 516, 91 ZPO gegen den Beklagten durchzusetzen, weshalb noch offen sei, ob es letztendlich zu einer Belastung der Gerichtskasse kommen werde.

II.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz hat keinen Erfolg. Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Berufungsrechtszug entfaltete Tätigkeit war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich.

1.

a) Nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel einlegt. Diese Vorschrift bedarf im Hinblick auf den Zweck der Prozesskostenhilfe einer einschränkenden Auslegung. Die Prozesskostenhilfe dient dazu, unbemittelten Personen den Zugang zu den st...

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