Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des Streitgegenstands im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren. Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG

 

Leitsatz (amtlich)

Klagt ein Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer auf Schadensersatz, weil dieser pflichtwidrig Rechnungen eines Dritten zur Zahlung freigegeben haben soll, die der Arbeitgeber für überhöht hält, so ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch für die Klage gegeben, mit der gleichzeitig der Dritte aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Bezahlung dieser Rechnungen in Anspruch genommen wird.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Gegenstand des Verfahrens bestimmt sich nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und nach dem ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund).

2. Nach § 2 Abs. 3 ArbGG ist eine Zusammenhangsklage zulässig, wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang verschiedener Ansprüche gegeben ist. Die Ansprüche müssen auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruhen oder wirtschaftliche Folge desselben Tatbestands sein. Die Ansprüche müssen innerlich eng zusammengehören, also einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 3; GVG § 17a Abs. 3 S. 2; ArbGG § 48 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 17.06.2021; Aktenzeichen 26 Ca 1864/18)

 

Tenor

  1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 17. Juni 2021 - 23 Ca 1864/18 - abgeändert und der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt, soweit sich die Klage gegen den Beklagten zu 2. richtet.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 17. Juni 2021, wonach der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen im vorliegenden Rechtsstreit nicht eröffnet ist, soweit sich die Klage gegen den Beklagten zu 2. richtet.

Der Beklagte zu 2. stellte der Klägerin mehrere Rechnungen, die deren damaliger Arbeitnehmer, der Beklagte zu 1., freigab und die die Klägerin sodann beglich. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte zu 2. habe in den Rechnungen Arbeiten abgerechnet, die tatsächlich nicht von diesem erbracht worden seien.

Die Klägerin hatte mit der am 21. Dezember 2018 bei Gericht eingegangenen Klage zunächst mit einem Antrag von beiden Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung von 263.244,93 Euro Schadensersatz verlangt und geltend gemacht, diese hätten durch kollusives und täuschendes Zusammenwirken in gemeinschaftlicher Tatbegehung die unberechtigte Bezahlung der überhöhten Rechnungen durch die Klägerin und damit den geltend gemachten Schaden verursacht.

Nachdem die Beklagten im hierzu eingeleiteten Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Untreue im Juli 2019 freigesprochen wurden, hat die Klägerin ihre Klage und ihren Vortrag umgestellt. Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2020 hat die Klägerin den Klageantrag aufgetrennt und dahin abgeändert, dass sie nunmehr vom Beklagten zu 1. die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 151.833,36 Euro wegen schuldhafter Verletzung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag durch das pflichtwidrige Freigeben von Rechnungen gegenüber dem Beklagten zu 2. verlangt (Bl. 149 ArbG-Akte) und mit gesondertem Antrag vom Beklagten zu 2. die Zahlung von 122.187,34 Euro aus ungerechtfertigter Bereicherung, weil dieser - aufgrund der Freigabe der Rechnungen durch den Beklagten zu 1. - Beträge bezahlt bekommen habe, für die er die Gegenleistung nicht erbracht habe (Bl. 151 ArbG-Akte). Zuletzt im Streit stehen hierbei in Bezug auf beide Beklagten Rechnungen zu den Bauvorhaben F. G., F. K., F. F., K. D. M., S. K. und L. sowie N.-Neubau L. (vgl. Bl. 147 und 150 ArbG-Akte). Eine gesamtschuldnerische Haftung macht die Klägerin nicht mehr geltend.

Mit Schriftsatz vom 2. März 2020 haben die Beklagten hinsichtlich der nun gegen den Beklagten zu 2. gerichteten Klage die sachliche Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt (Bl. 241 ArbG-Akte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des bisherigen Vorbringens der Parteien wird auf die Gründe zu I. des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 17. Juni 2021 (Bl. 349 bis 350 ArbG-Akte) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss vom 17. Juni 2021 entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei, soweit sich die Klage gegen den Beklagten zu 2. richtet, und hat den Rechtstreit insoweit an das Landgericht Heilbronn verwiesen. Zu den Einzelheiten der Begründung wird auf den Abschnitt II. des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen (Bl. 350 bis 352 ArbG-Akte). Kurz gefasst hat das Arbeitsgericht eine Zuständigkeit gem. § 2 Abs. 3 ArbGG abgelehnt, weil ein Zusammenhang unter dem Gesichtspunkt der Gesamtschuldnerschaft nicht hergleitet werden könne, da eine Gesamtschuldnerscha...

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