Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Beschluss vom 21.04.1986; Aktenzeichen 6 Ca 119/84 HD)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Mannheim –Kammern Heidelberg– vom 21.4.1986 – 6 Ca 119/84 H– wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Gegen Stands wert für das Beschwerdeverfahren: 2.072,– DM.

 

Tatbestand

I.

Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30.11.1984 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG in Höhe von DM 20.722,– zu bezahlen. Dies Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Kläger ist am 21.3.1986 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt worden. Er betreibt daraus die Zwangsvollstreckung.

Hiergegen hat die Beklagte gemäß § 732 ZPO erinnert. Sie macht geltend, das Auflösungsurteil nach § 9 KSchG sei ein Gestaltungsurteil. Seine Wirkung trete daher erst mit seiner Rechtskraft ein. Vorher sei die Abfindung nicht fällig. Deswegen könne aus einem nicht rechtskräftigen eine Abfindung zusprechenden Urteil auch nicht vorläufig vollstreckt werden.

Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung unter Hinweis auf § 62 ArbGG durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Auf die Gründe wird im einzelnen Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich das vorliegende Rechtsmittel, welches die Beklagte als „Beschwerde” bezeichnet und mit welcher sie ihre Auffassung weiter verfolgt, Urteile der Arbeitsgerichte, in denen Abfindungen zugesprochen würden, unterlägen nicht der vorläufigen Vollstreckbarkeit. Dementsprechend beantragt die Beklagte, auf deren Rechtsmittelausführungen im einzelnen verwiesen wird.

Der Beschluß des Arbeitsgerichts Mannheim –Kammern Heidelberg– vom 16.4.1986 wird aufgehoben und die vom Arbeitsgericht Mannheim –Kammern Heidelberg– am 17.3.1986 gegen den Erinnerungsführer erteilte vollstreckbare Ausfertigung zum Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim-Kammern Heidelberg vom 13.2.1986 (Az.: 6 Ca 119/84 H) und die Zwangsvollstreckung aus ihr wird als unzulässig erklärt.

Demgegenüber bittet der Kläger um

Zurückweisung der Beschwerde,

indem er dem angefochtenen Beschluß beitritt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Es handelt sich bei dem eingelegten Rechtsmittel um eine sofortige Beschwerde (§ 793 i.V.m. § 732 Abs. 1 Satz 2 ZPO), falsche Bezeichnung des Rechtsmittels ist indessen unschädlich. Die sofortige Beschwerde ist fristgerecht eingelegt. Der angefochtene Beschluß wurde der Beklagten am 23.4.1986 zugestellt. Die Beschwerde ging am gleichen Tage bei Gericht ein.

Die sofortige Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Die Vollsreckungsklausel mußte dem Kläger erteilt werden. Urteile, die eine Abfindung zusprechen, sind vorläufig vollstreckbar (LAG Bremen vom 31.8.1983 – 2 Ta 72/82– = DB 83/2315; LAG Frankfurt vom 22.1.1986 – 10 Ta 401/85– nicht veröffentlicht). Der entgegengesetzten Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamburg (Beschluß vom 28.12.1982 –1 Sa 6/82– = DB 83/724) und des Landesarbeitsgerichts Berlin (Urteil vom 17.2.1986 – 9 Sa 110/85– = BB 1986/672) und ihnen folgend hier der Beklagten kann nicht zugestimmt werden.

§ 62 ArbGG erklärt alle arbeitsgerichtlichen Urteile ohne Ausnahme für vorläufig vollstreckbar. Der Gesetzeswortlaut gibt demnach für die Auffassung der Beklagten nichts her. Auch aus dem etwa besonderen prozessualen Charakter des Auflösungsurteils nach § 9 KSchG ergibt sich nichts anderes. Zwar handelt es sich dabei um ein Gestaltungsurteil. Trotzdem ist die Festsetzung einer Abfindung die Verurteilung zu einer Zahlung, also ein Leistungsurteil. Der Anspruch auf die Abfindung entsteht zwar erst durch das Urteil. D.h. aber anders als das LAG Hamburg und das LAG Berlin (a.a.O.) und auch Becker (in KR Rz. 14 zu § 10 KSchG) annehmen, nicht, daß er erst mit der Rechtskraft des Urteils entstünde und fällig würde. Vielmehr wird der Anspruch auf die Abfindung begründet in dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil, durch welches die Abfindung zuerst festgesetzt wird, verkündet wird. Wenn dieses Urteil mit Rechtsmitteln angefochten wird, besteht der Anspruch weiterhin, aber nur vorläufig, also unter dem Vorbehalt anderweitiger Entscheidung des Rechtsmittelgerichts. In dieser Hinsicht gilt nichts anderes als für alle anderen nicht rechtskräftigen Leistungsurteile. Soweit Becker sich für seine Auffassung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Mai 1969 (5 AZR 309/68 = AP Nr. 2 zu § 8 KSchG) beruft, hat er dies Urteil mißverstanden. Seine Ansicht, der Anspruch auf Zahlung des Abfindungsbetrages entstehe erst mit der Rechtskraft des Auflösungsurteils, wird durch dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht gestützt. Dort ist vielmehr zutreffend ausgeführt, daß der Anspruch auf die Abfindung „erst durch die richterliche Festsetzung” entstehe. Daraus wird in diesem Urteil gefolgert, daß Zinsen für die Zeit vor richterlicher Festsetzung nicht verlangt werden könnten. Zugesprochen wurden in jenem Urteil aber Zinsen auf die Abfindung für die Zeit seit Verkündung (nicht se...

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