Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei der Zuordnung neu eingestellter Mitarbeiter in bestehende mitbestimmte Rahmendienstpläne. Unterlassungsantrag des Betriebsrats bei fehlender Unterrichtung durch die Arbeitgeberin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch die Zuweisung neu eingestellter Mitarbeiter in bestehende mitbestimmte Rahmendienstpläne unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

2. Regelmäßige Verstöße der Arbeitgeberin hiergegen begründen einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Mitbestimmung/Lage der Arbeitszeit/Rahmendienstplan/Unterlassungsanspruch/Neueinstellung

 

Normenkette

BetrVG §§ 2, 87 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 1004

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 23.02.2015; Aktenzeichen 9 BV 6/14)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 22.08.2017; Aktenzeichen 1 ABR 5/16)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen vom 23.02.2015, Az. 9 BV 6/14, wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über einen betriebsverfassungsrechtlichen allgemeinen Unterlassungsanspruch. Der Betriebsrat will bei der Zuordnung von Arbeitnehmern zu bestehenden Dienstplänen mitbestimmen.

Der Antragsteller (Beteiligte zu 2) ist der bei der Niederlassung B. G. gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) ist ein bundesweit tätiges Dienstleistungsunternehmen mit 49 Niederlassungen B. Die Niederlassung B. G. beschäftigt ca. 4.000 Arbeitnehmer, davon 2.800 im Bereich der Zustellung und 1.200 im Bereich der Brief- und Paketzentren. In Zeiten sogenannten Starkverkehrs, nämlich der Vorweihnachtszeit und der Sommerferienzeit, stellt die Arbeitgeberin im Winter 400 bis 500 und im Sommer 300 bis 400 zusätzliche Arbeitskräfte befristet ein. Bei diesen Einstellungen beteiligt die Arbeitgeberin den Betriebsrat nach § 99 BetrVG. Im vorliegenden Ausgangsverfahren hatte der Betriebsrat die Zustimmung zu 26 Einstellungen verweigert. Die Arbeitgeberin hat ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG und gem. § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ein Verfahren auf Feststellung, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, eingeleitet, das sich durch Zeitablauf erledigt hat. In diesem Verfahren hat der Betriebsrat die streitgegenständlichen Wideranträge gestellt.

Bei der Arbeitgeberin findet auf die Mitarbeiter ohne Zustelltätigkeiten der Tarifvertrag Nr. 37b vom 02.04.1998 (Bl. 58 bis 63. zweitinstanzlichen Akte, künftig TV Nr. 37b) und auf die Mitarbeiter mit Zustelltätigkeit die Betriebsvereinbarung vom 16.03.2011 (Bl. 64 bis 71 der zweitinstanzlichen Akte, künftig BV Arbeitszeit) Anwendung. Der Betriebsrat kündigte die Betriebsvereinbarung am 30.09.2015 zum 31.12.2015. Verhandlungen über eine neue Betriebsvereinbarung will die Arbeitgeberin 2016 aufnehmen.

Die Arbeitgeberin vereinbart mit dem Betriebsrat Dienstpläne und für Zeiten des sogenannten Starkverkehrs zusätzliche Entlastungsdienstpläne. Bei der gemischten Paket- und Briefzustellung wird zum Teil im Winter dem Zusteller eine Zusatzkraft beigegeben. Die Aufgaben werden in Paket- und Briefzustellung getrennt, von denen die eine der Stammzusteller und die andere der Zusatzzusteller übernimmt. Im Sommer werden mit den Zusatzkräften im Wesentlichen Vakanzen aufgefüllt, die durch urlaubsabwesende Mitarbeiter entstehen. Im Bereich der Zustellung werden auch im Sommer Entlastungsdienstpläne aufgestellt. Weder bei der Zuordnung eingestellter Mitarbeiter noch bei der Zuordnung neu eingestellter Mitarbeiter beteiligt die Arbeitgeberin den Betriebsrat. Die Zuordnung zu bestimmten Dienstplänen folgt auch nicht aus der Einstellungsunterrichtung im Sinne des § 99 BetrVG.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten,

ihm stehe bei der Zuordnung der Mitarbeiter zu den Dienstplänen ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. Da ein vorübergehender erhöhter Personalbedarf vorliege, sei auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gegeben. Die Duldung der jahrelangen bisherigen Praxis habe das Mitbestimmungsrecht nicht entfallen lassen. Das Mitbestimmungsrecht sei durch die Aufstellung der Rahmendienstpläne nicht verbraucht. Das Verfahren nach den §§ 99, 100 BetrVG entfalte keine Sperrwirkung.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. Der Antragstellerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG, die eingestellt sind, tatsächlich zur Arbeitsleistung einzusetzen oder die Erbringung von Arbeitsleistung durch diese zu dulden, ohne dass zuvor über Beginn und Ende der für diese maßgeblichen täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mit dem Betriebsrat eine Einigung erzielt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.
  2. Der Antragstellerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG, die eingestellt sind, in einen bestehenden mitbestimmten Diens...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge