Bei Wohnungseigentümern, die mangels Kostentragungsverpflichtung auch nicht nutzen dürfen, kann das Bedürfnis entstehen, die neu geschaffene Einrichtung nutzen zu wollen. Insoweit regelt § 21 Abs. 4 WEG, dass ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, verlangen kann, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird.

 
Praxis-Beispiel

Ein weiterer Wohnungseigentümer will den Aufzug nutzen

Nachdem der Aufzug vor einem Jahr errichtet worden ist, wächst bei Wohnungseigentümer 6 der Wunsch, diesen ebenfalls nutzen zu dürfen.

Wohnungseigentümer 6 hat nicht einfach einen durch entsprechende Vereinbarung mit den Wohnungseigentümern 1 bis 5 herbeizuführenden Anspruch auf Nutzung des Aufzugs. Er muss eine entsprechende Beschlussfassung der Wohnungseigentümer herbeiführen – einen Beschluss, den nicht nur die die Maßnahme finanzierenden Wohnungseigentümer 1 bis 5 zu fassen haben, sondern die Gesamtgemeinschaft. Im Ergebnis muss also ein weiteres Mal über den Aufzug abgestimmt werden, wenn Wohnungseigentümer, die bei der ursprünglichen Beschlussfassung entweder nicht mitgewirkt haben, sich ihrer Stimme enthalten oder sogar gegen die Maßnahme gestimmt haben, später doch noch an den Nutzungen partizipieren möchten.

§ 21 Abs. 4 WEG verleiht dem Wohnungseigentümer insoweit einen Anspruch auf Beschlussfassung. Der Anspruch ist dann positiv zu bescheiden, wenn dies

  1. billigem Ermessen entspricht und
  2. ein angemessener Ausgleich geleistet wird.

Billiges Ermessen

Das Begriffspaar "billiges Ermessen" kennt das WEG in § 18 Abs. 2. Hiernach kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung und Benutzung des Gemeinschaftseigentums verlangen, die u. a. dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Die Wohnungseigentümer haben im Rahmen der Beschlussfassung in erster Linie einen Ermessensspielraum. "Billig" ist eine Verwaltungsmaßnahme dann, wenn sie die Umstände der konkreten Situation berücksichtigt und dem entspricht, was in vergleichbaren Fällen üblich ist. Billigkeitskriterien sind daneben

  • die Wirtschaftlichkeit des Beschlussgegenstands,
  • das Diskriminierungsverbot,
  • der Gleichbehandlungsgrundsatz,
  • die Treuepflicht und schließlich
  • der Kernbereich des Wohnungseigentums.

Unter Beachtung dieser Kriterien darf kein Wohnungseigentümer gegenüber anderen Wohnungseigentümern benachteiligt werden. Insbesondere die Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wird in aller Regel dazu führen, dass auch Wohnungseigentümer, die sich nachträglich für eine Baumaßnahme entschieden haben, als Nachzügler einen Anspruch auf positive Beschlussfassung haben. Für den Fall, dass ihr Begehren negativ beschieden und ein Positivbeschluss also nicht gefasst wird, steht ihnen die Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG zur Verfügung. Im Rahmen dieser Beschlussersetzungsklage wird das Gericht prüfen, ob die beschlussbefassten Wohnungseigentümer die maßgeblichen Kriterien ausreichend abgewogen haben.

Angemessener Ausgleich

Selbstverständlich kann ein Anspruch auf positive Beschlussfassung auch nur dann bestehen, wenn der Wohnungseigentümer bereit ist, einen angemessenen Ausgleich zu leisten. Dieser Ausgleich bemisst sich an den für die Maßnahmendurchführung ursprünglich aufgewendeten Kosten – im Beispielsfall oben: 50.000 EUR. Wie der als Ausgleichsbetrag zu zahlende Betrag zu ermitteln ist, lässt das Gesetz zwar offen, allerdings sind jedenfalls die Kosten der ursprünglichen Bauerrichtung auf einen Nachzügler umzulegen. Keine Berücksichtigung können allerdings zwischenzeitlich angefallene Betriebskosten finden.

 
Praxis-Beispiel

Betriebskosten des Aufzugs

Neben den Baukosten in Höhe von 50.000 EUR, sind nach der Fertigstellung im vergangenen Jahr Betriebskosten für Strom in Höhe von insgesamt 500 EUR angefallen.

Der anschlusswillige Wohnungseigentümer wird sich hier nur an den reinen Baukosten bzw. den Kosten zu beteiligen haben, die entstanden sind, um den ursprünglichen Beschluss über die bauliche Veränderung umzusetzen. Da er in der zwischen Bauabschluss und Gestattung seines Nutzungsverlangens liegenden Zeit von einer Nutzung ausgeschlossen war, können ihm die in dieser Zeit entstandenen Betriebskosten nicht anteilsmäßig auferlegt werden, wohl aber Kosten für erforderliche Erhaltungsmaßnahmen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge