Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, in welchem Umfang der unterhaltsverpflichtete Vater einen Fachwechsel sowie eingeschobene Auslandssemester seines studierenden volljährigen Kindes hinzunehmen hat. Ferner ging es um die Frage, inwieweit das Einkommen des Vaters, der trotz Überschreitens der Regelaltersgrenze weiterhin freiberuflich erwerbstätig ist, bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen ist.

 

Sachverhalt

Der Kläger begehrte mit seiner Abänderungsklage die Beendigung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem volljährigen Sohn.

Der Beklagte hatte im Alter von 23 Jahren ein Studium der Sinologie als Magisterstudent mit den Hauptfächern Sinologie und Philosophie aufgenommen, wobei er in den ersten beiden Semestern zunächst nur Sinologie belegt hatte. Nach dem 2. Semester begab er sich für 2 Auslandssemester nach China und setzte anschließend das Studium in Deutschland fort, wobei er erstmals Philosophie belegte. Das Studium der Philosophie lag dem Beklagten nicht, weshalb er zum Wintersemester 2008/2009 das zweite Hauptfach von Philosophie zu Computerlinguistik wechselte. Da dieses Fach nur als Bachelor-Studiengang angeboten wurde, wechselte er zugleich im ersten Hauptfach das Abschlussziel von Magister/Sinologie mit einer Regelstudienzeit von 9 Semestern auf Bachelor/Ostasienwissenschaften mit einer Regelstudienzeit von 6 Semestern und für den darauf aufbauenden Masterabschluss von weiteren 4 Semestern.

Der Kläger war niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin und als solcher auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres freiberuflich tätig, obgleich er gesundheitlich stark beeinträchtigt war. Er war Eigentümer verschiedener vorwiegend fremdfinanzierter Immobilien. Außerdem war er an verschiedenen, fachbezogenen Firmen beteiligt, die mit negativen Ergebnissen abschlossen. Die geschiedene Ehefrau und Mutter des Sohnes arbeitete als Fachoberschullehrerin knapp unterhalb des Deputats einer Vollzeitstelle von 28 Wochenstunden.

Der Kläger begehrte die Beendigung seiner Unterhaltspflicht mit Ablauf einer Regelstudienzeit des Beklagten von 8 Semestern und unter Hinweis auf seine überobligatorische Erwerbstätigkeit.

Das AG hat den Unterhaltstitel vom 13.1.2001 dahingehend abgeändert, dass der Kläger dem Beklagten ab Juni 2008 lediglich einen Unterhaltsbetrag von monatlich 409,43 EUR schuldete. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Hiergegen wandte sich der Beklagte nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren und Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Berufung.

Der Kläger legte Anschlussberufung ein.

Die Berufung des Beklagten war erfolgreich, der Anschlussberufung des Klägers blieb der Erfolg versagt.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des OLG verstieß der Studienverlauf des Beklagten nicht gegen dessen Pflicht, die Ausbildung mit dem gehörigen Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben und sie innerhalb angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Der Fachwechsel von Philosophie zu Computerlinguistik, die im ersten Studiensemester dieses Faches erfolgt sei, sei im Rahmen der Orientierungsphase des Beklagten von dem Kläger hinzunehmen, zumal er das Studium nur um ein Semester verlängere. Der mit dem Studienfachwechsel einhergehende Wechsel vom angestrebten Magister- zum Bachelor-Abschluss entspreche dem nur so angebotenen Studiengang der Computerlinguistik.

Der nach den ersten beiden Semestern eingeschobene einjährige Auslandsaufenthalt sei angesichts der guten Einkommensverhältnisse der Eltern dem Beklagten gleichfalls unterhaltsrechtlich geschuldet, zumal der Erwerb entsprechender Sprachkenntnisse für den gewählten Studiengang nachvollziehbar sei und vonseiten der Universität dringend angeraten werde.

Die Erwerbsobliegenheit des Klägers ende mit Erreichen der Regelaltersgrenze eines abhängig Beschäftigten. Unter Würdigung des Einzelfalls hielt das OLG hier die Einbeziehung der hälftigen Praxiseinkünfte für billig. Die negativen Einkünfte aus den Firmenbeteiligungen widersprächen der Obliegenheit zum bestmöglichen Vermögenseinsatz, diejenigen aus Vermietung und Verpachtung wurden vom OLG als Abschreibungsmodelle nicht berücksichtigt.

Aufseiten der dem Beklagten anteilig unterhaltsverpflichteten Mutter legte das OLG eine Vollerwerbstätigkeit und fiktiv ermittelte Einkünfte zugrunde.

 

Hinweis

Das OLG folgt mit dieser Entscheidung zur unterhaltsrechtlichen Anrechnung des Erwerbseinkommens nach Erreichen der Regelaltersgrenze den vom BGH mit Urteil vom 2.11.2011 (FamRZ 2011, 454 ff.) entwickelten Grundsätzen unter Würdigung und Abwägung aller für diese Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Umstände.

Anders als in dem Urteil des OLG Karlsruhe dargestellt ist es durchaus umstritten, ob im Abänderungsverfahren gegen das volljährig gewordene Kind der Abänderung verlangende Unterhaltsverpflichtete oder aber das Kind den Haftungsanteil des anderen Elternteils darlegen und beweisen muss. Wegen der Schwierigkeit der Durchsetzung von Auskunftsansprüchen ist ger...

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