Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Ausbildungsanspruch des Kindes ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.[1] Der BGH[2] führt hierzu aus:

BGH, Beschluss v. 8.3.2017, XII ZB 192/16

Zitat

…Aus diesem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt die Obliegenheit des Kindes, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen. Auch ein Schulabgänger muss auf die Belange des Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen und sich in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig beginnen. Zwar ist einem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabung und Fertigkeiten verdienen muss (Senatsbeschluss vom 3. Juli 2013 – XII ZB 220/12 – FamRZ 2013, 1375 Rn. 15 m.w.N.). Allerdings gibt es keine feste Altersgrenze für die Aufnahme einer Ausbildung, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt. Die Frage, bis wann es dem Unterhaltsberechtigten obliegt, seine Ausbildung aufzunehmen, richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist (Senatsbeschluss vom 3. Juli 2013 – XII ZB 220/12 – FamRZ 2013, 1375 Rn. 16 m.w.N.).

Im Rahmen dieser Orientierungsphase kann dem Kind ggf. auch ein Ausbildungswechsel unterhaltsrechtlich zuzugestehen sein, wenn er einerseits auf sachlichen Gründen beruht und andererseits unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist. Für die Annahme eines hinreichenden Grundes kann etwa der Umstand sprechen, dass zwischen der abgebrochenen und der angestrebten Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht. Jedem jungen Menschen ist grundsätzlich zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Dabei wird ein Ausbildungswechsel umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet. Dies folgt aus dem Gedanken, dass die schutzwürdigen Belange des Unterhaltspflichtigen es gebieten, sich möglichst frühzeitig darauf einrichten zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird. Diese Belange erfordern es grundsätzlich auch, dass das Kind sich über seine geänderten Ausbildungspläne mit dem Unterhaltspflichtigen zu verständigen versucht (Senatsurteil vom 14. März 2001 – XII ZR 81/99 – FamRZ 2001, 757, 759)…

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