Leitsatz (amtlich)

1. Richtlinien i.S.v. Art. 249 EGV entfalten keine sog. "horizontale Drittwirkung".

2. Eine an der Richtlinie 86/653/EWG vom 18.12.1986 orientierte Auslegung des § 89b Abs. 1 HGB a.F. hindert nicht die Berücksichtigung der Sogwirkung einer Marke im Rahmen der Bemessung des Ausgleichsanspruches eines Tankstellenbetreibers.

3. Aus der Marktforschungsstudie der Firma Dr. Stöcker lässt sich für das Waschgeschäft ein Stammkundenanteil von 80 % herleiten. Für einen Abzug von weiteren 20 % stellt diese Studie, anders als die das Kraftstoffgeschäft betreffende sog. "MAFO-Studie" keine geeignete Schätzgrundlage dar.

4. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters stellt keine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB dar (gegen OLG München MDR 2009, 339).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 18.02.2009; Aktenzeichen 105 O 83/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.06.2010; Aktenzeichen VIII ZR 259/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.2.2009 verkündete Urteil des LG Berlin unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.883,96 EUR nebst 5 % Zinsen aus 6.273,14 EUR vom 1.12.2007 bis zum 24.4.2008 sowie Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.883,96 EUR seit dem 25.4.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ¾ und die Beklagte ¼.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Partei wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird hinsichtlich des ab dem 25.4.2008 zuerkannten Zinsanspruchs zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren um die Höhe eines Ausgleichsanspruches nach § 89b HGB aus Kraftstoffverkauf und Waschgeschäft nach Beendigung eines Tankstellenverwaltervertrages.

Die Beklage hat vorgerichtlich auf den vom Kläger mit Schreiben vom 19.3.2008 geltend gemachten Ausgleichsanspruch i.H.v. 59.463,37 EUR brutto einen Betrag von brutto 41.650 EUR gezahlt. Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Zahlung von 15.464,03 EUR, dann unter Rücknahme des überschießenden Betrages unter Zugrundelegung eines Gesamtanspruches von 56.273,14 EUR brutto die Zahlung weiterer 14.623,14 EUR nebst Zinsen begehrt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1, Satz 1 ZPO).

Das LG Berlin hat die Klage mit Urteil vom 18.2.2009 abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers aus § 89b HGB bestehe -selbst ohne Abzinsung - nur i.H.v. 37.535,04 EUR brutto, der bereits mit der vorgerichtlichen Zahlung von 41.650 EUR erfüllt sei.

Im Kraftstoffgeschäft betrage der Stammkundenumsatzanteil 54,14 %. Dieser Anteil sei nicht um einen auf sog. Wechselzahler, das heißt Kunden, die einen Anteil der Kraftstoffverkäufe mit EC- oder Kreditkarte und einen Teil bar bezahlt hätten, entfallenden Anteil am Geschäft des Klägers zu erhöhen. Die vom Kläger vorgelegten Berechnungen der Firma D. vom Mai 2008 und vom 9.10.2008 böten keine ausreichenden Grundlagen einer Schätzung nach § 287 ZPO. Wegen der rein verwaltenden Tätigkeit des Klägers sei ein Abzug von 10 % vorzunehmen, so dass bei Zugrundelegung der - unstreitigen - Jahresprovision im Kraftstoffgeschäft von 35.963,06 EUR netto 17.523,36 EUR verblieben. Unter Berücksichtigung der zu schätzenden zukünftigen Abwanderungsquote von jährlich 20 % ergebe sich ein Provisionsverlust von insgesamt 200 % des genannten Provisionsanteils, also von 35.056,72 EUR. Hiervon seien - ebenfalls geschätzt nach § 287 ZPO - wegen der sog. Sogwirkung der Marke der Beklagten weitere 10 % abzusetzen. Es ergebe sich - ohne Berücksichtigung der Abzinsung - ein Gesamtbetrag von netto 31.542,05 EUR, also 37.535,04 EUR brutto.

Für die im Geschäft mit der Waschanlage geworbenen Stammkunden bestehe kein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB. Es fehle bereits an einer ausreichenden Schätzgrundlage. Der Kläger habe nicht hinreichend vorgetragen, dass die Auswertung der Bezahlungen mit Karten keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Schätzung des Stammkundenanteils im Waschgeschäft böte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das am 5.3.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.3.2009 eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.5.2009 an diesem Tag begründete Berufung des Klägers.

Mit der Berufungsbegründung legt der Kläger eine nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils am 26.3.2009 erstellte Analyse der Firma D. vor, aus der sich hinsichtlich des Umsatzes im Waschgeschäft ergibt, dass 22, 61 % des Umsatzes mit Kartenzahlungen und 4,71 % des Umsatzes mit Stationskreditkunden e...

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