Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit einer redaktionellen Anmerkung zu einer Gegendarstellung gem. § 9 RBB-Staatsvertrag.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 06.12.2006; Aktenzeichen 28 O 197/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.12.2006 verkündete Urteil des LG Berlin - 28 O 197/06 - geändert:

1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des LG Berlin vom 5.1.2006 - 27 O 1191/05 - wird für unzulässig erklärt.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des zu 1. bezeichneten Beschlusses an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verbreitete in der von ihr ausgestrahlten Sendung "K." vom 14.12.2005, der Beklagte habe 1990 als damaliger DDR-Innenminister die Vernichtung von Stasi-Unterlagen verlangt. Durch einstweilige Verfügung des LG Berlin vom 5.1.2006 wurde sie zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung des Beklagten verpflichtet, wonach er seinerzeit aufgrund eines Beschlusses des Zentralen Runden Tisches gehandelt habe. Die Klägerin strahlte diese Gegendarstellung am 22.3.2006 mit einer Anmerkung der Redaktion aus. Auf die Ankündigung des Beklagten, aus einem am 9.2.2006 erwirkten Zwangsgeldbeschluss gleichwohl weiter zu vollstrecken, hat die Klägerin die vorliegende Vollstreckungsgegenklage erhoben. Zwei Beschlüsse, mit denen die Zivilkammer 27 des LG Berlin eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt hat, sind vom Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin aufgehoben und die Sache an eine andere Kammer des LG verwiesen worden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, mit dem die Zivilkammer 28 des LG Berlin die Klage abgewiesen hat.

Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, ihre Glossierung habe sich, was nach dem RBB-Staatsvertrag nicht einmal vorgeschrieben sei, auf tatsächliche Angaben beschränkt. Eine solche Glossierung sei mangels gesetzlicher Beschränkung jedenfalls grundsätzlich zulässig. Auch mit dem Wort "unwahr" habe die Klägerin eine Tatsachenbehauptung aufgestellt. Die Glossierung sei weder sittenwidrig noch verstoße sie gegen Treu und Glauben. Vielmehr gebiete es die Waffengleichheit, dass die Klägerin die Gegendarstellung, mit welcher der Beklagte ungeprüft neue Tatsachen behaupte, mit Tatsachenbehauptungen kommentieren dürfe. Die Glossierung habe die Gegendarstellung nicht verdreht, denn letztere sei vom Zuschauer so zu verstehen, es habe einen Beschluss des Zentralen Runden Tisches zur Vernichtung der Akten gegeben. Für eine Erfüllung des Gegendarstellungsanspruchs komme es auf eine Irreführung durch die Glossierung nicht an. Ohnehin sei die Aussage, ein OLG habe dem Beklagten bescheinigt, dass es den von ihm behaupteten Beschluss nie gegeben habe, aufgrund der Entscheidung des OLG Hamburg - 3 U 184/94 - gerechtfertigt. Die Vokabel "Lüge" werde in der Glossierung nicht verwendet. Jede Glossierung, in der eine Redaktion auf der Wahrheit der Ausgangsmitteilung beharrt, enthalte einen Vorwurf der Unwahrheit. Die Klägerin habe nicht behauptet, dass der Beklagte bewusst die Unwahrheit gesagt habe. Der Klägerin könne nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht nur eine pauschale Behauptung in den Raum gestellt, sondern sich um eine sachliche Auseinandersetzung mit der Gegendarstellung bemüht habe. Die angefochtene Entscheidung beschneide die Rundfunkfreiheit der Klägerin, sich zu den in der Gegendarstellung erstmals verbreiteten Tatsachen journalistisch zu äußern. Der Beklagte habe kein beachtenswertes Interesse an einer erneuten Ausstrahlung der Gegendarstellung, weil die Aktualitätsgrenze überschritten sei.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Gegendarstellung solle dem Betroffenen Gehör verschaffen und nicht Anknüpfungspunkt für weitere ihn belastende Schmähungen sein. Mit wertenden Redaktionszusätzen werde dem Zuschauer eine ausgewogene Beurteilungsgrundlage genommen. Auch tatsächliche Zusätze dürften die Gegendarstellung nicht entwerten. Der hier zu beurteilende Redaktionsschwanz stelle eine Mixtur aus tatsächlichen und wertenden Elementen dar. Das LG habe die Formulierung der Klägerin zu Recht als irreführend beanstandet, weil die Beschlusslage nur in einer von mehreren unterschiedlichen Entscheidungen verneint, in anderen aber explizit bejaht worden sei. Aufgrund der Glossierung dränge sich jedem Zuschauer auf, der Beklagte habe bewusst die Unwahrheit gesagt. Die Argumentation der Klägerin richte sich eigentlich gegen ihre rechtskräftige Verurteilung zur Verlesung der Gegendarstellung. Auf den von ihr verursachten Zeitablauf könne sich die Klägerin nicht berufen.

II. Die zulässige Berufung hat Erfolg.

1. In der Berufungsinstanz kommt es gem. § 513 Abs. 2 ZPO nicht ...

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