Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 19 O 417/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten, die i.Ü. zurückgewiesen wird, wird das Urteil des LG Berlin v. 8.8.2000 – 19 O 417/97 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 443,80 Euro nebst 4 % Zinsen p.a. seit dem 26.6.1997 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin – soweit über sie nach Erlass des Teilurteils vom 27.6.2002 noch zu entscheiden ist – ist nur teilweise erfolgreich. Die Klägerin kann Ersatz materieller Schäden i.H.v. 443,80 Euro nebst Zinsen von den Beklagten verlangen. Weitere Ansprüche wegen des Unfalls am 28.11.1996 stehen ihr jedoch nicht zu.

A. Die Schmerzensgeldforderung der Klägerin gegen die Beklagten ist unbegründet.

I. Ein Schmerzensgeldanspruch nach dem auf das Geschehen anwendbaren § 847 BGB a.F. setzt voraus, dass eine unerlaubte Handlung des Anspruchsgegners zu einer Körperverletzung oder Gesundheitsverletzung mit nachteiligen Folgen für die körperliche und seelische Verfassung des Verletzten geführt hat (§ 847 BGB); dem Anspruchsgegner muss ein schadensursächliches schuldhaftes Handeln vorzuwerfen sein.

II. 1. In Anwendung dieser Grundsätze kann die Klägerin Schmerzensgeld von der Beklagten zu 2) als Halterin des Kraftfahrzeuges schon deshalb nicht verlangen, weil sie deren haftungsbegründendes Verschulden nicht dargelegt hat. Die Beklagte zu 2) ist Halterin des Suzuki Vitara Jeeps, den der Beklagte zu 1) – unter im Einzelnen umstrittenen Umständen – gegen den Audi gelenkt hat, in dem sich die Klägerin befand. Für ein Verschulden der Beklagten zu 2) als Kfz-Halterin hieran ergibt sich weder aus dem Klägervorbringen noch aus dem sonstigen Akteninhalt ein Anhaltspunkt.

2. Von dem Beklagten zu 1) als Fahrer und der Beklagten zu 3) als Haftpflichtversicherer kann die Klägerin kein Schmerzensgeld wegen des Unfalls vom 28.11.1996 verlangen, weil sie nicht bewiesen hat, dass sie unfallbedingt – wie behauptet – ein HWS-Schleudertrauma, ein Cervikalsyndrom, Cephalea und Schwindel sowie dadurch bedingte Folgebeschwerden erlitten hat und insb. bis zum 21.12.1996 wegen des Unfalls arbeitsunfähig und vom 28.11.1996 bis zum 15.1.1997 zu 40 % Und vom 16.1.1997 bis zum 28.2.1997 zu 20 % als Büroangestellte in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert war.

a) Auf einen auf den Heckaufprall gestützten Anscheinsbeweis für ein unfallverursachtes HWS-Syndrom kann sich die Klägerin nicht stützen, denn hierfür war die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung zu gering.

(1) Zwar kann ein Auffahrunfall aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung generell geeignet sein, ein HWS-Syndrom hervorzurufen, so dass der Beweis des ersten Anscheins den Aufprall auf das Heck eines Fahrzeuges als Ursache für ein HWS-Syndrom eines Insassen des vorderen Fahrzeuges erscheinen lässt. Dies gilt nach Auffassung des Senats jedoch nicht für Auffahrunfälle mit einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung des angestoßenen Fahrzeuges im Bereich von bis zu 15 km/h (vgl. zu den Einzelheiten KG v. 21.10.1999 – 12 U 8303/95, KGReport Berlin 2000, 81 = NJW 2000, 877).

(2) Nach dem vom LG eingeholten Gutachten des Sachverständigen W. vom 9.11.1998, dem der Senat insoweit folgt, weil es ersichtlich fachgerecht erstellt und in seinem Gedankengang nachvollziehbar schlüssig ist, betrug die aus den Fahrzeugbeschädigungen ermittelte Geschwindigkeitsänderung des Audi durch die Kollision zwischen 7 und 11 km/h; sicher bewiesen sind damit 7 km/h.

Damit lag sie unterhalb des Wertes von 15 km/h, bei dem nach der Lebenserfahrung mit einem HWS-Syndrom zu rechnen ist.

b) Den danach erforderlichen Beweis für die behauptete Unfallverletzung und die Folgeschäden hat die Klägerin nicht führen können (für eine behauptete HWS-Verletzung gilt § 286 ZPO – haftungsbegründende Kausalität – und nicht die Beweiserleichterung des § 287 ZPO – haftungsausfüllende Kausalität, vgl. KG v. 21.10.1999 – 12 U 8303/95, KGReport Berlin 2000, 81 = NJW 2000, 877).

(1) Zwar hat sie unter Vorlage ärztlicher Atteste, insb. des Dr. F. sowie des Dr. C. substantiiert dargelegt, dass sie sich in der Zeit nach dem Unfall vom 28.11.1996 bei diesen in Behandlung befunden hat und dass beide ein Schleudertrauma mit Begleitbeschwerden diagnostiziert haben; beide haben ihr deswegen eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (Dr. F. vom 29.11. bis zum 6.12.1996, Dr. C. vom 6.12.1996 bis zum 21.12.1996).

(2) Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Prof. Dr. Ca. hat jedoch die Behauptungen der Klägerin zu Art und Umfang sowie weiteren Folgen unfallbedingter Beschwerden nicht bestätigt.

Auf den Beweisbeschluss des Senates vom 27.6.2002 hat er ein umfangreiches orthopädisches Fachgutachten angefertigt. Hierzu hat er nicht nur auftragsgemäß umfassend die bisher vorliegenden medizinischen Befunde ausgewertet, sondern die Klägerin persönlich befragt (S. 6 des Gutachtens...

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