Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungsbonus bei Wechselmodell. Trennungsunterhalt: Zubilligung eines Betreuungsbonus für den Unterhaltsschuldner. Berücksichtigung von Einkünften aus überdurchschnittlichen Arbeitszeiten. Abzugsfähigkeit der Kosten für eine nach der Trennung zu groß gewordene Mietwohnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Selbst wenn der Unterhaltsschuldner die gemeinsamen Kinder im Wechsel mit dem Unterhaltsgläubiger betreut, ist ihm kein Betreuungsbonus zuzubilligen, sofern er seine Arbeitszeiten aufgrund seiner freiberuflichen Tätigkeit flexibel gestalten und gut mit der ihm obliegenden Betreuung der Kinder in Einklang bringen kann und die Kinder darüber hinaus werktags von 8.00 bis 15.00 Uhr sowie mittwochs durchgehend fremdbetreut werden. In einem solchen Fall fehlt es an einer überobligatorischen Belastung, die einen Betreuungsbonus rechtfertigen könnte.

2. Auch Einkünfte aus überdurchschnittlichen Arbeitszeiten eines Freiberuflers sind bedarfsprägend und bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, wenn diese Mehrarbeit sich als berufstypisch darstellt.

3. Ist eine angemietete Wohnung für den dort verbliebenen Ehepartner nach der Trennung zu groß geworden, lässt sich der Rechtsgedanke der „aufgedrängten Bereicherung” jedenfalls dann nicht mehr übertragen, wenn eindeutig feststeht, dass die Ehe endgültig gescheitert ist.

 

Normenkette

BGB § 1361 Abs. 1, § 1570 Abs. 1, § 1578 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen 152 F 156/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13.5.2009 verkündete Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg - 152 F 156/07 - geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden Trennungsunterhalt zu zahlen:

  • für die Monate November und Dezember 2006 jeweils monatlich 603,39 EUR (483,45 EUR Quotenunterhalt und 119,94 EUR Altersvorsorgeunterhalt),
  • für die Monate Januar bis April 2007 jeweils monatlich 604,19 EUR (482,85 EUR Quotenunterhalt und 121,34 EUR Altersvorsorgeunterhalt),
  • für die Monate Mai und Juni 2007 jeweils monatlich 564,50 EUR (451,13 EUR Quotenunterhalt und 113,37 EUR Altersvorsorgeunterhalt),
  • für die Monate Juli bis Dezember 2007 jeweils monatlich 566,43 EUR, (452,68 EUR Quotenunterhalt und 113,75 EUR Altersvorsorgeunterhalt),
  • für Januar 2008 640,02 EUR (511,49 EUR Quotenunterhalt und 128,53 EUR Altersvorsorgeunterhalt),
  • für die Monate Februar 2008 bis einschließlich März 2009 jeweils monatlich 619,69 EUR (495,24 EUR Quotenunterhalt und 124,45 EUR Altersvorsorgeunterhalt).

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Beklagte 54 % und die Klägerin 46 % zu tragen.

Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben der Beklagte 83 % und die Klägerin 17 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die seit dem 21.4.2009 rechtskräftig voneinander geschiedenen Parteien streiten über den Trennungsunterhalt der Klägerin für die Zeit von November 2006 bis einschließlich März 2009.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Diese werden wie folgt ergänzt:

Die Klägerin nahm den Beklagten mit Schreiben vom 10.10.2006 auf Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 800 EUR in Anspruch.

Die Parteien gestalten die Betreuung der beiden gemeinsamen Kinder dahingehend, dass diese eine Woche von der Klägerin betreut werden, wobei die Kinder donnerstags nachmittags immer beim Beklagten sind, und eine Woche vom Beklagten, wobei die Kinder mittwochs immer bei der Klägerin sind und dort auch übernachten. Werktags von 8.00 bis 15.00 Uhr werden die beiden Söhne fremdbetreut.

Im Juni 2004 zog die Klägerin aus der gemeinsamen Ehewohnung aus. Von Juni 2004 bis jedenfalls August 2006 zahlte der Beklagte Barunterhalt i.H.v. 400 EUR im Monat an sie. Am 8.6.2005 zerkratzte die Klägerin dem Beklagten anlässlich eines Streits mit den Fingernägeln den Rücken und am 2.4.2006 das Gesicht, so dass der Beklagte eine Woche lang nicht arbeiten gehen konnte. Dies geschah nachdem sie erfahren hatte, dass der Beklagte ein intimes Verhältnis mit einer anderen Frau hatte. Für die Verletzung entschuldigte sie sich später beim Beklagten. Jedenfalls seit April 2006 leben die Parteien dauerhaft voneinander getrennt.

Der Beklagte nutzt seine ca. 220 qm große 6-Zimmer-Wohnung zugleich zum Betrieb seiner Arztpraxis, auf die ein Anteil von 65 qm entfällt. Seit August 2007 bezahlt er hierfür eine monatliche Gesamtmiete von 1.718,42 EUR, den auf seine Praxis entfallenden Anteil der Wohnungskosten macht er steuerlich als Betriebsausgaben geltend.

Er zahlt monatlich 127 EUR für die Fremdbetreuung von Elias, worin ein Verpflegungskostenanteil von 23 EUR enthalten ist.

Die Klägerin arbeitete bis Juni 2009 halbtags als Krankenschwester. Von Juni bis Dezember 2009 hatte sie eine ¾- Stelle inne, mit der sie im Juli 2009 ein Einkommen von 1.493,40 EUR netto erzielte.

Die Klägerin nutzt...

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