Normenkette

StVO §§ 1, 5, 8; BGB § 249

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 529/97)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers, die i.Ü. zurückgewiesen wird, wird das am 10.2.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin – 24 O 529/97 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.005 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.11.1997 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 69 % und die Beklagten 31 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000 DM.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Der Sache nach kann der Kläger von den Beklagten vollen Schadensersatz verlangen (A). Bezüglich der Höhe muss er jedoch Abzüge von den geltend gemachten Forderungen hinnehmen (B).

A. Zutreffend beanstandet der Kläger das angefochtene Urteil insoweit, als das LG dem Grunde nach von einer hälftigen Mithaftung des Klägers für diejenigen Schäden ausgegangen ist, die ihm auf Grund des Verkehrsunfalles vom 27.5.1997 auf dem in Berlin gelegenen Sp.-Damm i.H.d. Einmündung des R.-Weges entstanden sind.

1. Der Unfall stellt sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis i.S.d. § 7 Abs. 2 S. 1 StVG dar, so dass die Ersatzpflicht der einen oder der anderen Seite nicht von vornherein ausgeschlossen ist. In derartigen Fällen hängt nach § 17 Abs. 1 S. 2 StVG die Verpflichtung zum Schadensersatz wie auch der Umfang der Ersatzpflicht von den Umständen, insbes. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge unter Berücksichtigung der von beiden Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nach § 17 Abs. 1 StVG, § 254 BGB sind nach der st. Rspr. neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden.

2. Da der Beklagte zu 1) unstreitig aus dem R.-Weg kommend nach links in den bevorrechtigten Sp.-Damm einbiegen wollte, hatte er das durch Verkehrsschild angeordnete Vorfahrtsrecht des Klägers zu beachten. Gegen ihn spricht mithin der Anschein schuldhafter Vorfahrtsverletzung (§ 8 StVO). Grundsätzlich tritt bei Vorfahrtsverletzungen die Betriebsgefahr des bevorrechtigten Kraftfahrzeugs zurück, so dass der Wartepflichtige i.d.R. den gesamten Schaden zu tragen hat (KG, Urt. v. 22.3.2001 – 12 U 8148/99, KGReport 2001, 176; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 8 StVO Rz. 69 m.w.N.).

3. Entgegen der Ansicht des LG kann ein unfallursächliches Mitverschulden des Klägers nicht festgestellt werden.

a) Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg auf die sog. „Lückenrechtsprechung” berufen.

aa) Nach dieser Rechtsprechung muss ein Kraftfahrer, der bei dichtem Verkehr eine Kolonne stehender oder langsam fahrender Fahrzeuge links oder rechts überholt, sich unter Umständen auf Querverkehr aus freigelassenen und für ihn erkennbaren größeren Lücken einrichten. Er muss es insbes. Verkehrsteilnehmern im Querverkehr ermöglichen, aus der freigehaltenen Lücke heraus bis zur Erlangung freier Sicht auf den vor der haltenden Kolonne nicht besetzten Straßenraum herauszufahren, indem er entweder mit ausreichendem Sicherheitsabstand an der Kolonne vorbeifährt oder aber eine so geringe Geschwindigkeit einhält, dass er notfalls vor einem aus der Lücke herausragenden Verkehrsteilnehmer anhalten kann (KG DAR 1976, 296 f., KG, Urt. v. 8.6.1998 – 12 U 1878/97; Urt. v. 22.3.2001 – 12 U 8148/98, KGReport 2001, 176; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 5 StVO Rz. 41; § 8 StVO Rz. 47 jew. m.w.N.; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 6. Aufl., Rz. 58 bis 61).

bb) Im vorliegenden Fall haben die Beklagten zwar die Voraussetzungen für einen sog. „Lückenfall” behauptet, sie haben jedoch den ihnen obliegenden Beweis hierfür nicht angetreten. Bereits in erster Instanz hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 21.1.1998 vorgetragen, der Beklagte zu 1) habe sich nicht vorsichtig in den äußerst linken Fahrstreifen des Sp.-Dammes Fahrtrichtung Westen hineingetastet, sondern er sei „in den Sp.-Damm hineingeprescht, um dann unmittelbar vor dem klägerischen Fahrzeug abrupt abzubremsen”. Er hat den Vortrag der Beklagten, der Beklagte zu 1) habe zunächst im Einmündungsbereich des Sp.-Dammes angehalten, bestritten.

Darüber hinaus hat der Kläger auf S. 4 der Berufungsbegründung (Bd. II Bl. 14) geltend gemacht, zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte zu 1) in den Sp.-Damm eingefahren sei, hätten sich die Fahrzeuge im ersten und zweiten Fahrstreifen des Sp.-Dammes wieder in Bewegung gesetzt, nachdem die Ampel vor der Kreuzung mit dem W.-Damm für ihre Fahrtrichtung auf Grün umgeschaltet habe. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, den Beweis ...

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