Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 26.09.1998; Aktenzeichen 35 O 625/96)

 

Tatbestand

Die Kläger begehren als gesetzliche Erben ihres Sohnes Sandro Jacobi von der Beklagten wegen des Todes ihres Sohnes Zahlung von Schmerzensgeld aus übergegangenem Recht sowie Ersatz der Beerdigungskosten. Ihr Sohn besuchte am 26. Januar 1994 anlässlich eines Schulausfluges das von der Beklagten betriebene "Spaßbad xxx". Er wurde dort auf dem Grund des Schwimmbeckens in einer Ecke treibend von Mitschülern entdeckt und von Mitarbeitern der Beklagten aus dem Wasser geborgen. Am nächsten Tag starb er im Krankenhaus ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 543 Abs. 1 erste Alternative ZPO.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet,

Den Klägern stehen gegen die Beklagte im zuerkannten Umfang Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu, und zwar aus einer unerlaubten Handlung gemäß §§ 823 Abs. 1, 831, 844 Abs. 1, 847 BGB. Ansprüche aus einer schuldhaften Verletzung des Schwimmbadbenutzungsvertrags können hier dahingestellt bleiben, weil danach weder Schmerzensgeld noch die den Klägern entstandenen Beerdigungskosten nach § 844 Abs. 1 BGB verlangt werden können (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 56. Aufl., § 844 Rdn. 2).

I. Es liegt ein Organisationsverschulden der Beklagten und ein Aufsichtsverschulden der Bediensteten der Beklagten vor.

Zwar ist eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar. Es kann und muss daher nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Hiernach bedarf es nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zumutbar sind (BGH, NJW 1980, 392; BGH, VersR 1990, 989, 990).

1. Die Beklagte hat es hier zum einen unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) unterlassen, für ein deutlich sichtbares Begrenzungsseil zur Abgrenzung von Nichtschwimmer- und Schwimmerbereich zu sorgen.

a) Die Richtlinien für den Bäderbau schreiben in Nr. 25.10 ein solches Begrenzungsseil vor (vgl. OLG Bremen, VersR 1992, 70). Es soll Nichtschwimmer davor warnen, in einen Wasserbereich zu geraten, in dem sie nicht mehr stehen können.

b) Eine Seilabtrennung ist dann unabdingbar, wenn sich der Übergang vom flachen zum tiefen Wasser übergangslos in einer größeren Stufe oder Schrägfläche vollzieht. Sie ist aber ebenso im vorliegenden Fall geboten, obwohl sich der Beckenboden nur vergleichsweise langsam absenkt. Gerade Kinder können das stetige Gefälle nicht immer richtig einschätzen oder eine Orientierung kurzzeitig verlieren und durch Sprünge im Wasser oder einfache Schwimm- und Paddelbewegungen in ein Gebiet gelangen, in dem sie - am Ende mit ihren "Schwimmkünsten" - keinen Boden mehr unter ihren Füssen finden. Hinzu kommt das Springen vom Beckenrand, so wie es hier auch beim Sohn der Kläger vor dem Unfall beobachtet worden ist. Nichtschwimmer sehen keine klare Grenze, bis zu der sie sich allenfalls vorwagen dürfen; die jeweilige Wassertiefe kann ebensowenig deutlich vom Beckenrand aus wahrgenommen werden. Die Einrichtung einer Seilabtrennung - in Höhe einer maximalen Tiefe für Nichtschwimmerbecken - ist andererseits für die Beklagte mit keinen erheblichen Mühen und Kosten verbunden. im Verhältnis zu den damit begrenzten Gefahren können diese Kosten vernachlässigt werden.

c) Auch eine - durchaus gegebene - Verletzungsgefahr aus der Seilabtrennung während des Betriebs des Wellenganges steht dem nicht entgegen.

Für diesen Zeitraum kann das Seil ohne weiteres kurzfristig und ohne besonderen Aufwand entfernt und danach wieder angebracht werden. Während des Wellenbetriebs werden die Risiken einer fehlenden Seilabtrennung mit der gesteigerten Aufsicht durch zwei Bedienstete der Beklagten aufgefangen. Will sich die Beklagte nach dem Ende des Wellenbetriebs mit der allgemeinen Aufsicht für dieses Becken begnügen, dann ist eine solche Seilabtrennung notwendig.

2. Darüber hinaus hat die Beklagte nicht für eine hinreichende allgemeine Aufsicht über das Wellenbecken gesorgt. Das Wellenbecken durfte nicht über einen Zeitraum von etwa 10 bis 15 Minuten ohne jede Aufsicht durch Bademeister bzw. Rettungsschwimmer bleiben.

a) Im Allgemeinen ist ein Schwimmmeister allein in der Lage, das Schwimmbecken und die übrigen Verkehrswege einer übersichtlich gestalteten, nicht zu großen Schwimmhalle ausreichend zu überblicken, die Einhaltung der zum Schutz der Schwimmgäste und der notwendigen Ordnung erlassenen Vorschriften zu gewährleisten und in Notfällen helfend einzugreifen. Dann muss bei vorübergehender Abwesenheit des Schwimmmeisters ein geeigneter Stellvertreter die Aufsicht in der Schwimmhalle übernehmen (BGH, NJW 1980, 392).

Der Aufsichtführende muss nicht ständig alle im Wasser Badenden kontrollieren. Der Bademeister hat seinen Sta...

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