Leitsatz (amtlich)

1. Zum Werktitelschutz für Computersoftware (hier: Computerspiel).

2. Verfolgt der Inhaber einer werktitelverletzenden Domain mit ihrer Aufrechterhaltung das alleinige Ziel, die Domain für den Verletzten zu sperren, ist er aufgrund des Schikaneverbotes verpflichtet, diesen Störungszustand durch vollständige Löschung der Domain zu beseitigen.

 

Normenkette

MarkenG § 5 Abs. 3; BGB § 226

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.01.2002; Aktenzeichen 16 O 459/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.1.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, in die Löschung der Domain „america2.de” gegenüber der DENIC einzuwilligen.

Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz haben die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen. Von den Kosten 2. Instanz haben die Klägerin 77 % und die Beklagte 23 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils festzusetzenden Betrages zzgl. 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages zzgl. 10 % abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin vertreibt ein Computerspiel mit dem Titel „America” und dem Untertitel „No Peace Beyond The Line”. Das Spiel gehörte zumindest im Februar 2001 unbestritten zu den Top 5 der erfolgreichsten Computerspiele in Deutschland. Die Klägerin ist außerdem Inhaberin einer Wortmarke „America – No Peace Beyond The Line” für Unterhaltungssoftware, Datenträger usw.

Das börsennotierte, auf Computerspiele spezialisierte Unternehmen der Beklagten veröffentlichte am 9.3.2002 eine Ad-hoc-Mitteilung, in der die Beklagte u.a. ein Echtzeitstrategiespiel im „Wilden Westen” für den PC mit dem sog. Arbeitstitel „America II” ankündigte, und zwar in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen „Related Designs” aus N., das zuvor das Spiel „America” für die Klägerin entwickelt hatte. Auf eine entsprechende Abmahnung der Klägerin änderte sie den Arbeitstitel in „No Man's Land”.

Die Beklagte meldete am 28.3.2001 die Domain „america2.de” bei der DENIC an. Bei Aufruf der Domain gelangte man durch einen Link auf die Website der Beklagten, auf der das Computerspiel „No Man's Land” beworben wurde. Nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung, die die Klägerin gegen die Beklagte beim LG Berlin am 29.3.2002 mit dem Inhalt erwirkt hatte, es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ein Computerspiel unter dem Titel „Amerika II” anzukündigen oder ankündigen zu lassen, hat die Beklagte den Inhalt der streitgegenständlichen Domain verändert. Dort finden sich nunmehr Schaltflächen zu anderweitigen Websites mit allgemeinen Informationen zum Thema „Amerika”, z.B. zum Weißen Haus in Washington.

Die Klägerin plant eine Nachfolgeversion ihres Computerspiels unter dem Titel „America 2”. Der Umfang der dafür bereits geleisteten Entwicklungsarbeit ist unter den Parteien streitig.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. in einer Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass die Beklagte kein Echtzeitstrategiespiel im Wilden Westen für den PC unter dem Arbeitstitel „America II” zusammen mit Related Designs aus N. entwickelt, das im Jahr 2003 erscheinen soll,

2. in die Löschung der Domain „america2.de” gegenüber der DENIC einzuwilligen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat die Berufung hinsichtlich des Antrags zu 1. zurückgenommen hat, beantragt sie, das angefochtene Urteil mit der Maßgabe zu ändern, dass die Beklagte verurteilt wird, in die Löschung der Domain „america2.de” gegenüber dem DENIC einzuwilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist, soweit über sie noch zu entscheiden ist, begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Domain, der sich aufgrund eines Beseitigungsanspruchs aus §§ 15 Abs. 5 i.V.m. § 5 Abs. 3 MarkenG und § 226 BGB ergibt. Die Aufrechterhaltung der Domain durch die Beklagte stellt sich als eine dem Schikaneverbot des § 226 BGB widersprechende unzulässige Ausübung eines formal bestehenden Rechts dar. Die Beklagte blockiert die Domain für die Klägerin, ohne dass sie sich insoweit auf ein schutzwürdiges Interesse berufen könnte. Nach Lage der gesamten Umstände ist für dieses Verhalten ein anderer Zweck als der, der Klägerin einen Nachtei...

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