Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen manipulierten Unfall (hier: Miet-Lkw fährt mit Hilfe eines "Einweisers" rückwärts aus Parktasche und in die rechte Seite des vorbeifahrendem Golf Cabrio; kein Nachweis der sach- und fachgerechten Reparatur eines Vorschadens des Golf; Abrechnung auf Gutachtenbasis; vorsätzliche Verhinderung der Besichtigung des Golf durch beklagten Versicherers vor Veräußerung kurz nach dem Vorfall).

Aus dem Umstand, dass der Fahrer des Opferfahrzeugs bei einem seinem ganzen Erscheinungsbild nach manipulierten Verkehrsunfall möglicherweise eine HWS-Distorsion erlitten hat, ergibt sich nicht zwingend, dass der "Unfall" unfreiwillig war.

Auch der Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige die vom Kläger behauptete Unfallkonstellation als untypisch für gestellte Unfälle bezeichnet, spricht nicht zwingend gegen einen manipulierten Unfall; denn es ist gerade das Wesen der Unfallmanipulation, dass die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Schadenseintritts offen bleiben soll.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 12.03.2004; Aktenzeichen 24 O 82/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.3.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 82/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Im Ergebnis zutreffend ist das LG davon ausgegangen, das auf Grund einer ungewöhnlichen Häufung von Beweisanzeichen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Manipulation des Schadensereignisses vom 10.10.2000 spricht.

a) Allerdings kann dem LG nicht gefolgt werden, wenn es auf S. 7 des angefochtenen Urteils ausführt, auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen für Unfallrekonstruktion sei ausgeschlossen, dass der Kläger die geltend gemachte HWS-Distorsion erlitten habe, weil die beim dem Unfall erlittenen Verletzungen unterhalb der in der Wissenschaft anerkannten Harmlosigkeitsgrenze gelegen hätten. Die Frage einer sog. Harmlosigkeitsgrenze ist in der Rechtssprechung lediglich für den Fall eines sog. typischen Auffahrunfalles diskutiert worden. Auch für diese Fallkonstellation ist sie vom BGH verneint worden (BGH v. 28.1.2003 - VI ZR 139/02, MDR 2003, 566 = BGHReport 2003, 487 = NJW 2003, 1116). Im vorliegenden Fall wird demgegenüber vom Kläger ein seitlicher Zusammenstoß behauptet. Das LG hätte daher nicht als erwiesen ansehen dürfen, dass der Kläger Schmerzensgeld für tatsächlich nicht erlittene Verletzungen geltend macht und hieraus auf ein unredliches Verhalten schließen dürfen, ohne zuvor das Gutachten des medizinischen Sachverständigen eingeholt zu haben.

b) Die übrigen festgestellten Umstände reichen jedoch aus Sicht des Gerichts aus, um den Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten zu führen. Zutreffend hat das LG ausgeführt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen VW Golf Cabrio um ein geeignetes "Objekt" für einen gestellten Unfall handelt, zumal das Fahrzeug unstreitig während der Zeit des Besitzes durch den Kläger einen Vorschaden erlitten hat (Sturmschaden 1999) ohne dass der Kläger dazu in der Lage gewesen wäre, nachzuweisen, dass das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt ordnungsgemäß repariert worden wäre. Ferner sprechen für einen gestellten Unfall, dass es sich bei dem Verursacherfahrzeug um einen Miet-Lkw handelt und der Kläger die behaupteten Schäden auf Gutachtenbasis abrechnet ohne eine Reparatur durchgeführt zu haben. Soweit das LG in dem angefochtenen Urteil allerdings ausführt, für einen gestellten Unfall sprächen auch, dass der Kläger mit der Geltendmachung der behaupteten Schäden einen Rechtsanwalt beauftragt hat, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Für einen manipulierten Unfall sprechen demgegenüber einzelne Umstände im Zusammenhang mit dem vom Kläger behaupteten Hergang des Schadensereignisses. Da der Fahrer der Miet-Lkws sich beim Ausparken der Hilfe eines Einweisers bedient hatte, wäre zu erwarten gewesen, dass der Einweiser den Fahrer der Lkws durch entsprechende Zeichen oder Rufe davon abgehalten hätte, rückwärts aus der Parklücke herauszufahren, bis der Kläger mit dem VW Golf aus dem Gefahrenbereich heraus war. Es kommt hinzu, dass der Lkw-Fahrer nach seiner eigenen Darstellung in dem Unfallbericht ggü. dem Vermieter R. & W. den VW Golf vor der Kollision gesehen hatte. Als widersprüchlich erscheint auch die Darstellung des Lkw-Fahrers in dem Unfallbericht, er habe den Pkw gesehen, aber geglaubt, dieser wäre schon vorbei. Da sich der VW Golf aus Sicht des Lkw-Fahrers von hinten rechts näherte hätte der Lkw-Fahrer im linken Außenspiegel erkennen können, wenn der VW-Golf am Heck des Lkws vorbei gefahren war. Warum er gleichwohl geglaubt hat, der Pkw sei schon vorbei gefahren, obwohl er diesen im linken Rückspiegel unzweifelhaft nicht hat vorbeifahren sehen können, ist nicht erklärlich. Schließlich muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger ...

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