Leitsatz (amtlich)

1. Eine Nachschusspflicht gem. § 735 BGB setzt die Feststellung der Schlussrechnung durch die Gesellschafter voraus.

2. Eine Mehrheitsklausel in dem Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft muss eindeutig erkennen lassen, dass der maßgebliche Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll.

3. Zur Auslegung einer solchen Mehrheitsklausel.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 12.03.2009; Aktenzeichen 19 O 344/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.11.2011; Aktenzeichen II ZR 266/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters beim LG Berlin vom 12.3.2009 - 19 O 344/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge, der tatbestandlichen Feststellungen sowie des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des LG Berlin vom 12.3.2009 Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Das LG habe daraus, dass der Feststellungsbeschluss zur Schlussrechnung ein Grundlagengeschäft sei, zu Unrecht geschlossen, dass es zur Beschlussfassung eines einstimmigen Beschlusses bedurft hätte. Der Grundsatz der Einstimmigkeit sei im Gesellschaftsvertrag (GV) abdingbar, was hier durch die Regelung in § 16h GV geschehen sei. Auch die jährliche Gewinn- und Verlustrechnung könne nach § 16c GV mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Mit Recht sei in der Bilanz die Ausfallhaftung für insolvente Mitgesellschafter berücksichtigt. Wie erstinstanzlich ausgeführt, habe sie eine Wertberichtigung i.H.v. rund 4 Millionen EUR bilden müssen, da die Kaufpreisforderung von ca. 13 Millionen EUR als Sicherheit an die B.H. verpfändet sei. Die Verpfändung habe zur Folge, dass die Bank einer vollständigen Freigabe des Kaufpreises und Verrechnung mit dem Darlehenssaldo erst dann zustimmen werde, wenn der Differenzbetrag zwischen Darlehensaldo und Kaufpreis durch sonstige Zahlungen der Klägerin geschlossen werde. Mangels anderweitigen Vermögens könnten diese Zahlungen nur durch Nachschüsse der Gesellschafter aufgebracht werden. Da ihr zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung bereits Anhaltspunkte bekannt gewesen seien, dass rund 20 Prozent der Gesellschafter den auf sie entfallenden Fehlbetragsausgleich nicht mehr leisten könnten, habe sie dem Gebot der Bilanzwahrheit folgend eine Wertberichtigung i.H.v. 20 % gebildet, was bilanztechnisch bei den aktivierten Sozialansprüchen vorzunehmen gewesen sei.

Die Beklagten begehren Klageabweisung. Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Entgegen der Ansicht der Klägerin müsse der Beschluss über das Liquidationsergebnis einstimmig gefasst werden. Der Gesellschaftsvertrag enthalte keine abweichende Bestimmung, er regele den Fall der Liquidation überhaupt nicht. Es sei nicht Aufgabe des Liquidators, Forderungen für die finanzierende Bank einzuziehen. Ebenso wenig gehöre die Durchführung des Ausgleichs zwischen den Gesellschaftern gem. § 735 BGB zur Liquidation. Außerdem stehe die Ausfallquote zahlungsunfähiger Gesellschafter nicht fest.

II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin kann die von ihr gem. § 735 BGB verlangten Nachschüsse nicht geltend machen.

Eine Nachschusspflicht gem. § 735 BGB setzt die Feststellung der Schlussrechnung durch die Gesellschafter voraus (Staudinger/Habermeier Neubearbeitung 2003 § 730 BGB Rz. 26, § 735 BGB Rz. 3; MünchKomm/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 735 BGB Rz. 5; Palandt/Sprau, 65. Aufl., § 735 BGB Rz. 2; Gummert, Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, 3. Aufl., Band 1 § 21 Rz. 116). Der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung BGH NJW-RR 1991, 549 trifft die vorliegende Gestaltung nicht. Danach ist auch für den unmittelbaren Zahlungsantrag in einer Zweipersonengesellschaft eine zumindest vorläufige Auseinandersetzungsrechnung erforderlich. Hier geht es aber um die Auseinandersetzung einer Publikumsgesellschaft, deren Grundlage nur eine alle Ansprüche umfassende Auseinandersetzungsrechnung sein kann.

Diese Schlussrechnung, die als Schlusspunkt der Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern das Ende der Abwicklung bildet (MünchKomm/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 730 BGB Rz. 57; Gummert, a.a.O.), ist hier Grundlage der Klageforderung. Zwar wurde zunächst eine Liquidationseröffnungsbilanz erstellt, die also - entsprechend der Vorgehensweise bei der Liquidation einer Handelsgesellschaft - die weitere Liquidation erst vorbereiten soll. Mit Umlaufbeschluss vom September 2008 haben die Gesellschafter aber mit einer Mehrheit von 68 % der abgegebenen g...

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