Leitsatz (amtlich)

§ 814 BGB setzt die positive Kenntnis des Leistenden davon voraus, dass er im Leistungszeitpunkt nichts schuldet. Verwendet der Vermieter eine Klausel, die eine Mietminderung durch Abzug von der monatlichen Zahlung in unwirksamer Weise ausschließen soll, steht dies der Rechtskenntnis des Mieters vom Eintritt einer Minderung regelmäßig entgegen. Es wäre Sache des Vermieters, darzulegen und zu beweisen, dass der Mieter die Unwirksamkeit der Klausel positiv erkannt hat.

Sind die Voraussetzungen des § 814 BGB danach nicht gegeben, stellt sich die Frage eines Vorbehalts bei Mietzahlung nicht. Für die Annahme, dass sich der Mieter, dessen Mietvertrag einer minderungsbeschränkende Klausel enthält, bei der Mietzahlung die spätere Rückforderung der (im Zeitpunkt der Leistung aufgrund der Klausel geschuldeten) Miete unter Bezugnahme aus diese Klausel "vorbehalten" müsse, fehlt eine rechtliche Grundlage.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 11.04.2013; Aktenzeichen 12 O 405/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das am 11.4.2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des LG Berlin -12 O 405/12- teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.666,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 1.261,83 EUR seit dem 8.4.2010, von 603,38 EUR seit dem 6.5.2010 und von 1.801,63 EUR seit dem 4.6.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung und Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 58 % und die Beklagte zu 42 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten nach dem am 1.5.2010 eingetretenen Wegfall eines Zugangs zum Pausenraum des Mietobjekts mit Berufung und Anschlussberufung über den Eintritt einer Minderung gegenüber der klagegegenständlichen Mietforderung für Mai und Juni 2010. Die Beklagte, die ab Juli 2010 vorbehaltlos die volle Miete gezahlt hat, verteidigt sich gegen die weiter gehende Klageforderung auf Miete für März bis Juni 2010 im Übrigen mit einer Aufrechnung wegen mangelbedingt überzahlter Miete (§§ 812, 536 BGB). § 9 des Mietvertrags lautet:

"Aufrechnung, Mietminderung oder Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts sind ausgeschlossen, es sei denn, die Forderung des Mieters ist vom Vermieter anerkannt oder rechtskräftig festgestellt."

Die Klägerin hält die Minderung und Aufrechnung danach für ausgeschlossen. Ferner meint sie, dass mangels Vorbehalts bei Zahlung ein Rückforderungsanspruch wegen überzahlter Miete gem. § 814 BGB ausgeschlossen sei.

Von der Darstellung weiterer tatsächlicher Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).

B.I. Die Klageforderung setzt sich aus folgenden (aus einer Gesamtmiete von monatlich 8.181,66 EUR resultierenden) rechnerisch unstreitigen Mietrückständen zusammen:

3/10

3.400 EUR

4/10

1.700 EUR

5/10

1.700 EUR./. zugestandene Minderung von 917,66 EUR

= 782,35 EUR

6/10

2.898,25 EUR

8.780,60 EUR.

Die Beklagte hat sich erstinstanzlich - was allein Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, da Mängelrechte wegen Putzschäden und Schimmels im Untergeschoss vom LG nicht zugesprochen wurden und sich die Anschlussberufung hiergegen nicht richtet - mit einer "Verminderung" des Zahlungsanspruchs wegen der (unstreitigen) Nichtbenutzbarkeit des Pausenraums im EG bis zum Einbau einer notwendig gewordenen neuen Zugangstür im Zeitraum 1.5.2010 bis 15.1.2011 verteidigt. Soweit das die nicht streitgegenständlichen Mietzeiträume Juli 2010 bis Mitte Januar 2011 betrifft, liegt darin (was auch die Klägerin nicht anders verstanden hat, wie ihr Hinweis auf das Aufrechnungsverbot in § 9 MV zeigt, und wovon offenbar das Landgerichtsurteil unausgesprochen ausgeht) eine konkludente Aufrechnungserklärung mit einem Anspruch auf Rückzahlung mangelbedingt überzahlter Miete (§§ 812, 536 BGB).

Das LG hat eine (der Höhe nach in zweiter Instanz unstreitige) Minderung wegen Unbenutzbarkeit des Pausenraums von monatlich 1.096,62 EUR errechnet und einen Minderungszeitraum von 4,5 Monaten (01.-31.5.2010; 16.08.-15.9.2010 und 1.11.2010 bis 15.1.2011) angenommen. Es hat die Klage i.H.v. 4,5 × 1.096,62 EUR = 4.934,78 EUR abgewiesen. Es hat somit in der Sache die Mietrestforderung für Mai 2010 wegen Minderung

(§ 536 BGB) vollständig abgewiesen und gegen die Miete von 2.898,25 EUR für Juni 2010 die Aufrechnung vollständig und gegen die für April 2010 im Umfang von 1.254,18 EUR durchgreifen lassen (zusammen 4.152,43 EUR, resultierend aus Überzahlungen von 3,5 × 1.096,62 EUR = 3.838,16 EUR und einer Überzahlung in Mai 2010 von 314,27 EUR).

II. Minderung der Mieten für Mai und Juni 2010:

1) Zutreffend macht die Klägerin geltend, dass das LG eine Minderung für Mai 2010 doppelt berücksichtigt hat,...

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