Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbswidrigkeit eines Partnerprogramms: Verpflichtung des Pharma-Unternehmens zur Belieferung von Apothekern zum Herstellerabgabepreis und Verpflichtung der Apotheker zur bevorzugten Berücksichtigung dieser verschreibungspflichtigen Arzneimittel bei einer Wahlfreiheit des Apothekers - "aut idem-Substitution"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein durch das Angebot einer direkten Belieferung der Apotheker zum Herstellerabgabepreis verstößt das Pharma-Unternehmen weder gegen das Zuwendungsverbot aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 HWG (i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG) noch beeinträchtigt es die Entscheidungsfreiheit dieser Apotheker durch unangemessenen unsachlichen Einfluss i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG.

2. Dem steht auch nicht das Zuwendungsverbot aus § 128 Abs. 2, Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 SGB V entgegen.

3. Ein solches Partnerprogramm (Verpflichtung des Pharma-Unternehmens zur Belieferung von Apothekern zum Herstellerabgabepreis und Verpflichtung der Apotheker zur bevorzugten Berücksichtigung dieser verschreibungspflichtigen Arzneimittel bei einer Wahlfreiheit des Apothekers - "aut idem-Substitution") verletzt allerdings § 10 ApothG (i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG) sowie § 4 Nr. 1 UWG.

 

Normenkette

UWG § 4 Nrn. 1, 11; HWG § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 23.05.2011; Aktenzeichen 96 O 38/10)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.5.2011 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 96 des LG Berlin - 96 O 38/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im landgerichtlichen Tenor Ziff. 1 am Ende (nach "... im Wege des Direktvertriebs zum Herstellerabgabepreis zu liefern") heißen muss: ", wenn und soweit dies (Ziff 1a und/oder Ziff 1b) geschieht wie mit dem W.-Partnerprogramm gemäß der nachfolgend eingeblendeten Anlage K1":

Die folgende Ablichtung kann aus technischen Gründen nicht wiedergegeben werde

...

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (hinsichtlich der landgerichtlichen Verurteilung Ziff. 1 i.H.v. 25.000 EUR und hinsichtlich der Kosten in Höhe des vollstreckbaren Betrages) abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit (hinsichtlich der Verurteilung Ziff. 1 i.H.v. 25.000 EUR und hinsichtlich der Kosten der Klägerin in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages) leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, dem u.a. sämtliche Industrie- und Handelskammern Deutschlands angehören.

Die Beklagte ist ein zum S.-A.-Konzern gehöriges Pharma-Unternehmen, das u.a. Arzneimittel, die eine wirkstoffgleiche Kopie eines bereits unter einem Markennamen auf dem Markt befindlichen Medikaments sind (Generika), herstellt und über Apotheken vertreibt.

2009 bot die Beklagte den Apothekern ein sog. Partnerprogramm (Anlage K1) an. Dessen Ziel ist es, dass die teilnehmenden Apotheker Produkte der Beklagten und der S.-A.Deutschland GmbH bei der Abgabe an den Kunden "bevorzugt berücksichtigen", und zwar für den Fall, dass der verschreibende Arzt eine Substitution des verschriebenen Arzneimittels nicht ausschließt ("aut idem-Substitution") und dem Apotheker eine Wahlfreiheit in der Auswahl zwischen verschiedenen Arzneimitteln eröffnet ist. Hat der Arzt die Ersetzung eines Medikaments durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen, muss der Apotheker prüfen, ob die Krankenkasse des Apothekenkunden einen (exklusiven oder nicht-exklusiven) Rabattvertrag geschlossen hat. Gibt es keinen exklusiven Rabattvertrag, kann er statt des verordneten auch ein anderes, preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben (im Falle eines nicht-exklusiven Rabattvertrages kann der Apotheker unter den rabattierten Arzneimitteln wählen).

Das mit einer Frist von zwei Wochen kündbare Partnerprogramm bezieht sich auf diese Wahlfreiheit des Apothekers. Es betrifft zum einen die bevorzugte Berücksichtigung von Arzneimitteln der Beklagten, die einen der 12 Wirkstoffe enthalten, für die die Beklagte und die S.-A.D...GmbH mit der AOK einen exklusiven Rabattvertrag vereinbart haben (und zwar soll eine bevorzugte Berücksichtigung dieser Arzneimittel für den Fall erfolgen, dass Versicherte anderer Krankenkassen als der AOK Medikamente mit diesem Wirkstoff nachfragen und die Beklagte und die S.-A.D...GmbH mit dieser anderen Krankenkasse einen nicht-exklusiven Rabattvertrag geschlossen haben). Zum anderen betrifft die bevorzugte Berücksichtigung die Arzneimittel der Beklagten, für die diese mit der AOK sog. Portfolioverträge (Rabattverträge für sämtliche von der Beklagten vertriebenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel) abgeschlossen hat sowie Arzneimittel der Beklagten mit fünf weiteren Wirkstoffen, für die die Beklagte mit der AOK nur einen nicht-exklusiven Rabattvertrag geschlossen hat.

Als Gegenleistung erhalten Apotheker die Möglichkeit, die Arzneimittel vo...

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