Leitsatz (amtlich)

1. Der Kündigungstatbestand des § 6 Abs. 7 VOB/B benachteiligt den Unternehmer nicht unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 BGB. Diese Bestimmung ist somit auch dann wirksam, wenn die VOB/B nicht als Ganzes in einen Bauvertrag einbezogen sind.

2. Einem Unternehmer steht eine Entschädigung gemäß § 642 BGB zu, wenn ihm durch den Annahmeverzug des Bestellers ein Vermögensnachteil entstanden ist. Hat der Unternehmer dies dargelegt, ist eine weiter gehende "bauablaufbezogene Darstellung" der Bauarbeiten zur Anspruchsbegründung nicht erforderlich.

3. Bemessungsgrundlage der Entschädigung nach § 642 BGB sind die dem Unternehmer entstandenen verzögerungsbedingten Mehrkosten. Diese Kosten sind um einen Deckungsbeitrag für die Allgemeinen Geschäftskosten und einen Gewinnanteil zu erhöhen, soweit solche Zuschläge in der vereinbarten Vergütung enthalten waren (Abweichung von BGH, Urteil vom 21.10.1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32).

4. Die für die Ermittlung der Entschädigung maßgeblichen Preisbestandteile sind gemäß § 642 Abs. 2 BGB anhand der vereinbarten Vergütung zu ermitteln. Ausgangspunkt kann eine vom Unternehmer vorgelegte Kalkulation sein. Soweit diese nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht - insbesondere weil sie in der Vergütung enthaltene Deckungsbeiträge und Gewinnanteile ausweist, die in Anbetracht des tatsächlichen Aufwands der Vertragsdurchführung nicht realistisch sind - ist sie in einem Rechtsstreit entsprechend zu korrigieren. Für die insoweit erforderlichen Feststellungen des Gerichts gilt § 287 Abs. 1 ZPO.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.12.2015; Aktenzeichen 3 O 460/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.10.2017; Aktenzeichen VII ZR 16/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG vom 22.12.2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.280,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.3.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der ersten und zweiten Instanz dieses Rechtsstreits zu tragen.

4. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist ein Unternehmen, dass auf die Herstellung von Brandschutzsystemen spezialisiert ist.

Im Jahr 2007 plante die Beklagte den Umbau zweier Bestandsgebäude des Bundesarchivs und die Neuerrichtung eines Magazingebäudes. Auf die Ausschreibung der Sprinkleranlage unterbreitete die Klägerin ein Angebot, für das ihr die Beklagte mit Schreiben vom 23.11.2007 bei einer Vergütung von insgesamt 309.296,39 EUR den Zuschlag erteilte. Im ersten Bauabschnitt des Vorhabens sollte im Wesentlichen der Magazinneubau errichtet, im zweiten die Bestandsgebäude 903 und 906 umgebaut werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Leistungsbeschreibung verwiesen (Anlage B 2). In den Vertrag wurden die VOB/B und besondere Vertragsbedingungen der Beklagten einbezogen. Die besonderen Vertragsbedingungen sehen als "verbindliche Vertragsfristen" vor, dass der erste Bauabschnitt bis zum Ende der 50. KW 2008, der zweite Bauabschnitt bis zum Ende der 40. KW 2010 fertigzustellen sind. Die weiteren Einzelheiten des Vertrages ergeben sich aus der Anlage K 1.

Die Bauarbeiten gingen wesentlich langsamer voran als von der Beklagten vorgesehen. Ursache waren die Insolvenz eines Rohbauunternehmens und die verzögerte Planung durch den Architekten der Beklagten. Die Klägerin arbeitete bis zum Februar 2012 auf der Baustelle und hatte zu diesem Zeitpunkt einen Leistungsstand von etwa 40 % der Gesamtleistungen erreicht, mit dem 2. Bauabschnitt hatte sie noch nicht begonnen. Seit Februar 2012 konnte die Klägerin keine weiteren Leistungen erbringen, da der langsame bzw. stagnierende Baufortschritt dies nicht zuließ.

Mit Schreiben vom 24.9.2012 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte auf, der Klägerin das Grundstück bis zum 31.10.2012 so bereitzustellen, dass sie die vertraglichen Leistungen fertigstellen könne. Andernfalls drohte sie die Kündigung des Vertrages an (Anlage K 2).

Am 29.10.2012 wies die Beklagte darauf hin, dass die Bauarbeiten nicht vor dem 4. Quartal 2014 wieder aufgenommen werden könnten (Anlage K 3).

Hierauf verlängerte der Klägervertreter am 2.11.2011 unter erneuter Kündigungsandrohung die Frist für die Bereitstellung des Grundstücks bis zum 30.11.2012 (Anlage K 4).

Darauf erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 27.11.2012 die Kündigung des Vertrages gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B (Anlage K 5).

Am 3.12.2012 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in ihrem Namen die Kündigung des Vertrages (Anlage K 6).

Am 17.12.2012 nahm di...

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