Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Sachentscheidung durch das Revisionsgericht trotz Zurückverweisung zur Festsetzung der Strafe. Erhebung von Beweisen durch das Revisionsgericht zu Prozessvoraussetzungen im Freibeweisverfahren. Verdacht des unerlaubten Handeltreibens nach Beobachtung von Austauschhandlungen unter konspirativen Umständen. Verdunkelung durch Verschlucken von Beweismitteln. Vergabe von Brechmitteln als körperliche Untersuchung. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Menschenwürde. Mageninhalt als unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln

 

Leitsatz (redaktionell)

1. a) Die Verurteilung eines vom Tatrichter freigesprochenen Angeklagten durch das Revisionsgericht unter Zurückverweisung zur Festsetzung der Strafe ist unter bestimmten, engen Voraussetzungen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO zulässig. Dies gilt nicht nur, wenn ein Angeklagter in erster Instanz verurteilt worden ist und der Freispruch erst durch das Berufungsgericht erfolgte, sondern auch wenn das freisprechende Urteil des Amtsgerichts mit der Sprungrevision angefochten wird oder in beiden Vorinstanzen ein Freispruch erfolgt ist.

b) Voraussetzung ist allerdings, dass alle erheblichen Tatumstände aufgeklärt sind, vollständige, tragfähige und widerspruchsfreie Feststellungen zum Tatbestand in dem angefochtenen Urteil vorliegen, die durch den in dem Urteil enthaltenen Rechtsfehler nicht betroffen sind, und darüber hinaus nicht ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte anders hätte verteidigen können, und somit für ihn günstigere Erkenntnisse mit Sicherheit auszuschließen sind.

2. a) Zwar ist dem Revisionsgericht eine Beweisaufnahme über die Tat verwehrt. Zur Aufklärung tatsächlicher Umstände, von denen die Prozessvoraussetzungen oder eine erhobene Verfahrensrüge abhängen, können jedoch im Freibeweisverfahren Beweise jeglicher Art erhoben werden, auch durch Vernehmung eines Sachverständigen.

b) Bei den Voraussetzungen der Unverwertbarkeit eines gewonnenen Beweisergebnisses handelt es sich um die Feststellung prozesserheblicher Tatsachen, da es insoweit nicht um den Inhalt des für die Schuldfrage bedeutsamen Beweisergebnisses geht, sondern um die Art, wie dieses Ergebnis zu Stande gekommen ist, also um die Feststellung eines Verfahrensfehlers.

3. Wird jemand dabei beobachtet, wie er mit als Heroinkonsumenten eingeschätzten Personen Kontakt aufnimmt, diesen einen zuvor von ihm aus dem Mund genommenen Gegenstand übergibt und dafür einen Gegenstand erhält, von dem die beobachtende Polizei annimmt, dass es sich um einen Geldschein handelt, und erkennt die beobachtende Polizei überdies bei dem die Flucht ergreifenden Täter Schluckbewegungen, die auf das Verschlucken in Mund befindlicher Betäubungsmittel hindeuten, besteht der Verdacht, sich auf öffentlichem Straßenland des unerlaubten Handeltreibens mit harten Drogen schuldig gemacht zu haben.

4. Die Verabfolgung von Brechmitteln zur Erlangung von Betäubungsmittelportionen, die ein Beschuldigter verschluckt hat, stellt einen im Rahmen einer körperlichen Untersuchung des Beschuldigten vorgenommenen körperlichen Eingriff dar. Nach § 81a Abs. 1 Satz 1 StPO darf die körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind, wobei nach § 81a Abs. 1 Satz 2 StPO zu diesem Zweck körperliche Eingriffe auch ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig sind, wenn sie von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden und kein Nachteil für die Gesundheit des Beschuldigten zu befürchten ist.

5. a) Der in Art. 1 Abs. 1 GG verankert die Grundsatz der Unverletzbarkeit der Menschenwürde steht einem Brechmitteleinsatz nicht von vornherein entgegen. Zwar steht auch die StPO mit den in ihr gesetzlich festgelegten Eingriffsmöglichkeiten gegenüber einem Beschuldigten unter dem Leitgedanken, dass der einer Straftat Beschuldigte oder wegen ihr Angeklagte seiner Menschenwürde nicht schon wegen des auf ihm ruhenden Verdachts entäußert ist. Sie lässt es daher nicht zu, gegen den Beschuldigten in menschenunwürdiger Weise zu Verfahren.

b) Andererseits erlaubt die besondere Stellung des Beschuldigten in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ihm gegenüber auch besondere Eingriffe, die durch die elementaren Bedürfnisse des Strafrechts gefordert sind, so dass zum zulässigen Zweck der rechtsstaatlich gebotenen Aufklärung von Straftaten und Ermittlung von Straftätern Eingriffe zulässig sind, die der jeweilige Beschuldigte im Interesse überwiegender Belange des Gemeinwohls hinzunehmen hat.

6. a) Der Verabfolgung von Brechmitteln steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen, da die unter ärztlicher Aufsicht nach vorheriger Untersuchungen des Patienten erfolgte Einnahme des Brechmittels Ipecacuanhae und der durch die Einnahme ausgelöste Brechvorgang einen gesunden, wachen Menschen im Regelfall nicht zu gesundheitlichen Schäden führen können und das Gleiche auch für die zwangsweis...

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