Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 20.07.2009; Aktenzeichen (573) 81 Js 1896/08 Ns (88/09))

 

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Juli 2009 wird verworfen.

Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird unter Aufrechterhaltung sämtlicher Feststellungen das vorbezeichnete Urteil im Schuld- und Strafausspruch mit Ausnahme der Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und der dafür verhängten Einzelstrafe aufgehoben.

3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - Schöffengericht - hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung (Einzelfreiheitsstrafe: sechs Monate) sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (Einzelgeldstrafe: 50 Tagessätze zu je 15,00 Euro) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 20. Juli 2009 verworfen. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berlin form- und fristgerecht Revision eingelegt. Der Angeklagte wendet sich insgesamt gegen seine Verurteilung und erstrebt mit der Sachrüge die umfassende Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Staatsanwaltschaft rügt im Hinblick auf den Strafausspruch (und die damit zusammenhängende Nichtannahme eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs) mit Ausnahme der für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verhängten Einzelstrafe ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts.

II. 1. Die Revision des Angeklagten deckt keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler auf und ist deshalb aus den Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 18. Januar 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.

2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet in der Begründung (S. 3) ihres uneingeschränkt eingelegten Rechtsmittels nur die Ausführungen des Landgerichts zum Strafausspruch und in diesem Zusammenhang (S. 4) auch die Ablehnung des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durch die Strafkammer. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierin in ihrer Stellungnahme vom 18. Januar 2010 (S. 1) einen auf die Strafzumessung beschränkten Angriff der Revision gesehen. Die dem Senat aufgegebene Prüfung des gesamten Revisionsvorbringens (vgl. Kuckein in KK-StPO 6. Aufl., § 344 Rdn. 2) ergibt, daß das Ziel des Rechtsmittels neben der Strafzumessung auch den Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung erfaßt.

Denn aus der Beschwerdebegründung in Verbindung mit den Anträgen in der Revisionshauptverhandlung ergibt sich, daß die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs nach §§ 125, 125 a StGB erstrebt und damit auch den Schuldspruch angreift, der den Tatbestand des Landfriedensbruchs nicht umfaßt. Zu einem Schuldspruch auch wegen eines Landfriedensbruchs (in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung nach §§ 224, 22, 23 StGB) hätte das Landgericht aufgrund der umfassenden Subsidiaritätsklausel des § 125 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB (vgl. zu deren Reichweite BGHSt 43, 237 = BGHR StGB § 125 Subsidiarität 1 Auslegung) nur gelangen können, wenn es die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs nach § 125a StGB, bei dem es sich um eine Strafzumessungsregel handelt, bejaht hätte (vgl. zu den Zusammenhängen auch OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1996, 309). Denn damit wäre ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu 10 Jahren eröffnet gewesen und der Landfriedensbruch nicht länger als subsidiäre Bestimmung hinter der versuchten gefährlichen Körperverletzung (Strafrahmen: ein Monat bis sieben Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe) zurückgetreten.

Erwüchse der Schuldspruch vorliegend aufgrund einer angenommenen Beschränkung der Revision ausschließlich auf den Strafausspruch in Rechtskraft, bestünde ein Widerspruch zwischen Schuldspruch und den Urteilsgründen, wenn die Staatsanwaltschaft im Ergebnis mit ihrem Rechtsmittel Erfolg hätte. Nach einer Zurückverweisung entnähme das Landgericht die Strafe aus § 125a StGB, ohne daß der Landfriedensbruch (im besonders schweren Fall) in der Urteilsformel zum Ausdruck käme.

Die so im Wege der Auslegung des Revisionsvorbringens ermittelte Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch und den Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ist wirksam. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils zum Tatgeschehen stellen eine hinreichende Grundlage für die gesonderte Überprüfung der Rechtsfolge dar; die gebotene klarstellende Korrektur der Urteilsformel im Schuldspruch (vg...

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