Leitsatz (amtlich)

Zum (verneinten) Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn sich infolge der sog. Finanzmarktkrise im Jahr 2088 die Bankkonditionen für eine Sicherheitenstellung verschärft haben und insoweit eine Leistungserschwerung für den Schuldner der Sicherheit eingetreten ist.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 30.06.2011; Aktenzeichen 104 O 3/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.6.2011 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 104 des LG Berlin -104 O 3/11 - wird insoweit zurückgewiesen, als die Beklagte darin verurteilt worden ist, an die Klägerin 10.118,97 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.12.2010 zu zahlen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das landgerichtliche Urteil im Tenor zu 1. im Übrigen abgeändert:

Wegen des weiter gehenden Zinses wird die Klägerin auf ihren Verzicht mit ihrem Anspruch abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 30.6.2011 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 104 des LG Berlin, mit dem sie antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 10.118,97 EUR (Erstattung von Anwaltskosten der Klägerin i.H.v. 9.764,80 EUR sowie nutzloser Avalkosten von 354,17 EUR für eine von der Klägerin gestellte Bankbürgschaft) nebst Rechtshängigkeitszinsen seit dem 14.9.2010 verurteilt worden ist, und auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zunächst verwiesen wird.

Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wird wie folgt präzisiert:

Nach Nr. 8.1 des - unstreitig zwischen den Parteien fortgesetzten - Mietvertrags vom 31.7.2008 über ein noch zu erstellendes Hotel in Berlin war von der Beklagten als Mieterin innerhalb von 4 Wochen nach Mitteilung durch den Vermieter, dass er seine Rücktrittsrechte nicht ausübt, oder spätestens am 15.2.2009 eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft zu stellen, und nach Nr. 8.3 des Vertrags konnte der Vermieter bei "Verzug" des Mieters (nicht bei "Schwierigkeiten" der Beschaffung) eine Barkaution verlangen. Nr. 23.4 des Vertrags lautet "Gerichtsstand Berlin, Deutsches Recht".

Mit Schreiben vom 14.11.2008 verzichtete der vertragsschließende Vermieter, H.G., auf die vertraglichen Rücktrittsrechte und forderte die Beklagte zur Stellung einer Bankbürgschaft über 2.000.000 EUR bis zum 12.12.2008 auf (Anl. K 5). Die Klägerin als avisierte Vertragsübernehmerin stimmte dem Verzicht am gleichen Tag zu (K 6). Mit Schreiben vom 18.12.2008 erklärte die Beklagte, die Bürgschaft sei "unter den seit Sommer 2008 stark veränderten Bedingungen auf den globalen Finanzmärkten.. nicht unter den bisherigen und üblichen Bedingungen zu beschaffen", und bot stattdessen drei Patronatserklärungen über je 500.000 EUR und eine Bankbürgschaft über 500.000 EUR an (Anl. B 1, Bl. I/109 d.A.). Eine Besprechung (jedenfalls) vom 29.1.2009 über die Art der Sicherheitsleistung führte zu keiner Vereinbarung.

Mit Anwaltsschreiben vom 16.2.2009 ließ die Klägerin eine Frist zur Bürgschaftsgestellung bis zum 28.2.2009 setzen und die Kündigung des Mietvertrags aus wichtigem Grund androhen. Dem Schreiben war eine an die Beklagte adressierte Kostenrechnung vom 16.2.2009 über 7.516 EUR netto (1,0-Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 2.000.000 EUR) beigefügt (Anl. B 3, Bl. I/114 d.A.).

Mit Anwaltsschreiben vom 19.2.2009 berief sich die Beklagte auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage, da die Bürgschaft nicht "unter den bisherigen und üblichen Bedingungen beschafft werden" könne (K 10). Nachdem die Klägerin unter dem 3.3.2009 gegenüber den Beklagtenvertreter und der Beklagten persönlich die fristlose Kündigung des Mietvertrags erklärt hatte (K 7, 8), erklärte der Beklagtenvertreter am 13.3.2009 den "Rücktritt bzw. die Kündigung" u.a. deshalb, weil eine Bankbürgschaft "nunmehr nur noch unter erheblich veränderten Bedingungen erlangt" werden könne und die Klägerin sich einer Vertragsanpassung verschließe. Mit Schreiben vom 23.3.2009 erklärte der Klägervertreter, dass "für die Kündigung des Mietvertrags seitens der Klägerin sowie die Abwehr der unberechtigten Kündigung Ihrerseits mit Schreiben vom 13.3.2009.. der Klägerin Anwaltskosten gemäß beigefügter Kostenrechnung vom 23.3.2009 entstanden seien", und fügte die an die Klägerin adressierte Kostenrechnung vom 23.3.2009 über 9.764,80 EUR netto (1,3-Geschäftgsgebühr nach Wert 2.000.000 EUR) bei (Anl. K 12, 13).

Die Beklagte hat sich in der Klageerwiderung vom 10.1.2011 insbesondere darauf berufen, dass die Geschäftsgrundlage entfallen sei, da auf Grund der Finanzkrise eine Bankbürgschaft "nur noch unter erheblich veränderten Bedingungen erlangt werden konnte". Die Finanzkrise habe, vergleichbar anderen Ereignissen "aus der Geschichte", gravierende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage gehabt und zu nicht vorhergesehenen, inakzepatblen Bedingungen für eine Bürgschaftserlangung geführt (Schriftsatz vom 20.6.2011, S. 3).

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