Leitsatz (amtlich)

§ 592 Satz 1 ZPO öffnet den Urkundenprozess grundsätzlich unterschiedslos für die Geltendmachung aller Ansprüche, welche die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand haben. Das ist auch bei Mietforderungen der Fall. Der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses steht nicht entgegen, dass der Mieter Mängel der Mietsache behauptet hat und der Anspruch auf die Miete daher gem. § 536 Abs. 1 BGB von Gesetzes wegen ganz oder teilweise erloschen sein könnte. Sind dagegen erhebliche Mängel der Mietsache zwischen den Parteien unstreitig und damit nicht beweisbedürftig, so steht fest, dass die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist. Die Höhe der dann nur noch geschuldeten geminderten Miete ergibt sich nicht aus dem Mietvertrag. Der Mietzins kann dann in der Regel nicht mehr im Urkundenprozess eingeklagt werden.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 25.05.2011; Aktenzeichen 12 O 333/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.10.2013; Aktenzeichen XII ZR 64/12)

 

Tenor

Auf die Berufungen des Beklagten werden das am 11 März 2011 verkündete Teilurteil im Urkundenprozess und das am 25.5.2011 verkündete Schlussurteil im Urkundenprozess der Zivilkammer 12 des LG Berlin - 12 O 333/10 - abgeändert:

Die Klage wird als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Berufungen des Beklagten richtet sich gegen das am 11 März 2011 verkündete Teilurteil im Urkundenprozess in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24.5.2011 und das am 25.5.2011 verkündete Schlussurteil im Urkundenprozess in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9.6.2011 des LG Berlin, auf die Bezug genommen wird.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags u.a. vor, die streitgegenständlichen Mietzinsforderungen könnten nicht im Urkundenprozess geltend gemacht werden, da die Mietsache unstreitig mit Mängeln behaftet sei, welche deren Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben würden.

Mit Beschluss vom 17.11.2011 sind die beiden Berufungsverfahren 12 U 49/11 und 12 U 66/11 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils als im Urkundenprozess unstatthaft abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II. Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das LG geht in den angefochtenen Entscheidungen zu Unrecht davon aus, dass die Klage im Urkundenprozess gem. §§ 592 ff. ZPO statthaft sei. Entgegen der Ansicht des LG liegen die Voraussetzungen des § 592 Abs. 1 ZPO nicht vor.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH, der das Gericht sich anschließt, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen.

aa) § 592 Satz 1 ZPO öffnet den Urkundenprozess grundsätzlich unterschiedslos für die Geltendmachung aller Ansprüche, welche die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand haben. Das ist bei Mietforderungen der Fall.

bb) Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses nach § 592 Satz 1 ZPO ist, dass sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses steht nicht entgegen, dass die Beklagte Mängel der Mietsache behauptet hat und - diesen Vortrag als richtig unterstellt - der Anspruch auf die Miete daher gem. § 536 Abs. 1 BGB von Gesetzes wegen ganz oder teilweise erloschen ist. Das behauptete Vorliegen eines Sachmangels hat nicht zur Folge, dass deshalb die Höhe der Miete vom Vermieter nicht mehr i.S.v. § 592 Satz 1 ZPO durch Urkunden bewiesen werden könnte. Denn die Mangelfreiheit der Mietsache gehört nicht zu den zur Begründung des Anspruchs auf Miete erforderlichen Tatsachen (BGH, Urt. v. 1.6.2005 - VIII ZR 216/04). Vielmehr begründet die infolge der Mangelhaftigkeit eintretende Mietminderung eine materiell-rechtliche Einwendung des Mieters gegen die Forderung auf Mietzahlung, die im Prozess von dem Mieter darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist.

cc) Beruft sich der Mieter nicht (nur) auf eine Mietminderung sondern erhebt er im Hinblick auf das Vorliegen von Mängeln (auch) die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 BGB, dann ist die Klage jedenfalls dann im Urkundenprozess statthaft ist, wenn der Mieter unstreitig die Wohnung in vertragsgemäßem Zustand erhalten hat und die Einrede des ...

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