Leitsatz (amtlich)

Wie alle Prozesshandlungen unterliegt aber auch die Rüge des Mangels der Vollmacht dem Missbrauchsverbot.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 20.08.2021; Aktenzeichen 29 O 83/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20.08.2021, Az. 29 O 83/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des von ihnen jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in Höhe von 100.000 Euro. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen und diese wie folgt ergänzt:

Am 30.1.2020 schlossen die Parteien im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Eintrag einer Vormerkung für eine Bauhandwerkersicherungshypothek zum Az. 29 O 36/19 - LG Berlin - sowie zum Az. 27 U 47/19 - Kammergericht - einen Vergleich mit folgendem Wortlaut:

"1. Die Parteien sind sich einig, dass im Grundbuch des Amtsgerichts Lichtenberg ... zu Lasten der Beklagten und zu Gunsten der Klägerin eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Einräumung einer Sicherungshypothek für ihre Forderung aus Generalunternehmervertrag vom 6.12.2017 gemäß Schlussrechnung vom 21.2.2019 in Höhe von 100.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 8.2.2019, eingetragen wird.

2. ..."

Das Landgericht hat mit Urteil vom 20.8.2021 die Klage - sowie die Widerklage, die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist - abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin, Aktenzeichen 29 O 83/20 vom 20. August 2021 zu verurteilen, zu ihren Gunsten die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek für ihre Forderung aus dem Generalunternehmervertrag vom 6. Dezember 2017 gemäß Schlussrechnung vom 21. Februar 2019 in Höhe von 100.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Februar 2019 im Grundbuch des Amtsgerichts Lichtenberg, Gemarkung ... zu Lasten der Beklagten und zugunsten der Klägerin unter rangwahrender Ausnutzung der, aufgrund des vor dem Kammergericht Berlin am 30. Januar 2020 geschlossenen Vergleichs, eingetragenen Vormerkung zu bewilligen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage das Bestehen der Prozessvollmacht des gegnerischen Rechtsanwalts gerügt.

II. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg (dazu 2.), soweit die Klägerin den Mangel der Vollmacht gemäß § 88 Abs. 1 ZPO rügt, hindert dies nicht die Zurückweisung der Berufung (dazu 1.).

1. a) Die Beklagten sind im Berufungstermin ordnungsgemäß vertreten gewesen. Die Klägerin hat zwar im Berufungstermin am 2.6.2023 die Prozessvollmacht gerügt und der Beklagtenvertreter hat entgegen § 80 Absatz 1 ZPO keine Prozessvollmacht zur Akte gereicht. Wie alle Prozesshandlungen unterliegt aber auch die Rüge des Mangels der Vollmacht dem Missbrauchsverbot (KG, Urteil vom 28. August 2003 - 8 U 13/03 - juris Rn. 4; Burgermeister in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 14. Aufl. 2022, § 88 Rn. 2; Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 88 Rn. 2; Chasklowicz in: Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 88 Rn. 2; MüKoZPO/Toussaint, 6. Aufl. 2020, ZPO § 88 Rn. 5, Fn. 16).

Dieses Missbrauchsverbot führt im vorliegenden Fall dazu, dass es der Vorlage einer Originalprozessvollmacht nicht bedurfte. Die Rüge des Mangels der Vollmacht nach § 88 ZPO kann zwar jederzeit erhoben werden. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber mit ihrer Rüge zugewartet, bis ihr klar war, dass ihr Klage- (und Berufungs-)verfahren keine Aussicht auf Erfolg haben würde und auch ein Vergleich für die Beklagtenseite nicht in Betracht kommt. Damit diente die Rüge der Prozessvollmacht allein der Verzögerung des Rechtsstreits. Dass gerade die mangelnde Bereitschaft der Beklagten, einen Vergleichsabschluss in Erwägung zu ziehen, Motivation für die Klägerin war, die Prozessvollmacht des Rechtsanwalts der Beklagten zu rügen, folgt aus der von ihr geäußerten Begründung. Nachdem die Beklagten sich auf die fehlende nachvollziehbare Darlegung der Höhe der zu sichernden Werklohnforderung bezogen hatten, erklärte die Klägerin sinngemäß, dass, wenn die Beklagten so formalistisch vorgingen, sie selbst...

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