Leitsatz (amtlich)

Die Aufrechnung des Rechtsanwalts mit seinem Honoraranspruch gegen den Anspruch des Mandanten auf Abführung erstrittenen Geldes ist weder als kongruente noch als inkongruente Deckung anfechtbar, wenn die Mandatsverträge jeweils vor dem kritischen Dreimonatszeitraum zustande gekommen sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anfechtbarkeit ist dabei nicht der Tag der Aufrechnungserklärung sondern die Entstehung der Aufrechnungslage.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 12.05.2005; Aktenzeichen 33 O 126/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.06.2007; Aktenzeichen IX ZR 56/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.5.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 33 des LG Berlin - 33 O 126/04 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung eines 7.308,97 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.9.2002 übersteigenden Betrages verurteilt worden ist.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 96 % und die Beklagte 4 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil.

Die Beklagte rügt mit der Berufung, das LG hätte richtigerweise davon ausgehen müssen, dass die in Ziff. 6 der Mandatsbedingungen der Beklagten enthaltenen Formulierung zu einer wirksamen Forderungsabtretung führte. Es habe unzutreffend angenommen, dass die Forderung nicht wirksam abgetreten worden sei. Bei der Abtretung zukünftiger Forderungen genüge die hinreichende Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung. Sofern man aber die Unwirksamkeit der Abtretung unterstelle, unterliege die erklärte Aufrechnung jedenfalls nicht der insolvenzrechtlichen Anfechtung. Unzutreffend sei das LG bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, es komme für den Zeitpunkt der Aufrechnungslage auf den des jeweiligen Geldeingangs an. Dies entspreche nicht der Rechtsprechung des BGH und der anderweitigen obergerichtlichen Rechtsprechung. Es komme allein auf den Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen Anwalt und Mandant an. Zutreffend sei zwar, dass die einzelnen Gebührentatbestände nur mit der Entfaltung einer entsprechenden Tätigkeit des Rechtsanwaltes ausgelöst würden. Daraus folge aber nicht, dass auch anfechtungsrechtlich im Sinne der Insolvenzordnung auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei. Rechtsbegründend i.S.v. § 140 Abs. 3 InsO für die Aufrechnungslage sei bei Honorarforderungen des Rechtsanwaltes vielmehr die Mandatserteilung bedingt auf den Zeitpunkt der Entstehung der abzurechnenden Gebührentatbestände. Nichts anderes gelte für den hier maßgeblichen Zeitpunkt, was den Anspruch des Mandanten auf Auskehrung der eingegangenen Gelder gem. § 667 BGB betreffe. In keinem Fall sei jedoch von einer inkongruenten Deckung auszugehen. Sie, die Beklagte, habe sich während des "kritischen Zeitraums" keine Aufrechnungslage verschafft. Sie habe nur von der eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht, die Gelder einzuziehen.

Die Berufung rügt weiter, dass das LG nicht von einem Nachweis der Zahlungsunfähigkeit der ...-gesellschaft mbH (Insolvenzschuldnerin) zum Zeitpunkt der Aufrechnung hätte ausgehen dürfen. Der Vortrag des Klägers zur Zahlungsunfähigkeit sei lückenhaft und teilweise nicht nachvollziehbar. Schließlich fehle es an einem Vortrag zur Kenntnis der Beklagten von der angeblichen Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung nach entsprechendem Hinweis, dass die Aufrechnungslage betreffend die Forderung der Rechtsanwälte F. erst durch die Abtretung zum 1.1.2002 gemäß Sozietätsvertrag entstanden ist, die Berufung i.H.v. 18.866,59 EUR nebst anteiliger Zinsen zurückgenommen

Sie beantragt im Übrigen, das am 12.5.2005 verkündete Urteil des LG Berlin - 33 O 126/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Das LG hat die Beklagte zu Unrecht antragsgemäß zur Zahlung verurteilt, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch nach §§ 667, 675 BGB auf Auskehrung vereinnahmter Fremdgelder hat. Der Anspruch ist, soweit über diesen auf Grund der teilweisen Berufungsrücknahme noch zu entscheidend ist, durch die erklärte Aufrechnung erloschen.

1. Ein Zahlungsanspruch des Klägers entfällt aber nicht schon deshalb, weil die ...-gesellschaft mbH (im Folgenden: Schuldnerin) die Ansprüche, die den vereinnahmten Zahlungen der Justizkasse bzw. der ... Versicherung zugrunde lagen, zuvor an die Beklagte - wie diese meint - abgetreten hat. Es hätte sich dann von vorne herein nicht um Fremdgelder gehandelt,...

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