Entscheidungsstichwort (Thema)

Gefährliche Körperverletzung durch Faustschlag eines Amateurboxers

 

Orientierungssatz

Orientierungssätze:

1. Erforderlich, aber auch genügend ist für die "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" begangene gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls (generell) geeignet ist, das Leben zu gefährden.

2. Zwar können grundsätzlich auch mit Hand oder Faust in das Gesicht oder gegen den Kopf des Opfers geführte Schläge eine das Leben gefährdende Behandlung sein. Dies setzt jedoch Umstände in der Tatausführung oder individuelle Besonderheiten beim Tatopfer voraus, welche das Gefahrenpotential der Handlung im Vergleich zu dem Grundtatbestand deutlich erhöhen.

3. Da die nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begangene Körperverletzung "mittels" einer das Leben gefährdenden Behandlung erfolgen muss, darf der Körperverletzungserfolg nicht erst als mittelbare Folge der gefährlichen Behandlung eingetreten sein. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB liegt daher nicht vor, wenn nicht die Körperverletzungshandlung selbst lebensbedrohlich ist, sondern erst eine durch diese ausgelöste Gefahr.

 

Normenkette

StGB §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 25.01.2023; Aktenzeichen (573) 254 Js 392/21 Ls Ns (31/22))

 

Tenor

Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Januar 2023 werden verworfen.

Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last. Die Kosten seines Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in einem Fitnessraum der JVA M. einen in eine Textilie eingeschlagenen harten Gegenstand, möglicherweise eine 2,5 kg schwere Hantelscheibe, gegen den linken Wangenbereich des Mitgefangenen Amkhadov geschleudert, wodurch dieser einen Kieferwinkel- und eine Zahnfraktur erlitt, welche die operative Einsetzung einer Platte erforderlich machte. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht diesen nur wegen ('einfacher' vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Vom Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs hat sich die Strafkammer nicht überzeugen können. In den Urteilsgründen heißt es:

"Als der Angeklagte kurz darauf auf Höhe des - sodann links von ihm befindlichen - Zeugen Amkhadov angekommen war, versetzte er diesem in einer schnellen Drehung seines Oberkörpers mit der rechten Faust einen kräftigen Schlag gegen den linken Unterkiefer, wobei er seine als Amateurboxer erworbenen Erfahrungen und Fertigkeiten nutzte. Infolge der Schlagwirkung ging der Zeuge Amkhadov zu Boden. Es ist nicht auszuschließen, dass er dabei mit seinem Kopf im Bereich des linken Unterkiefers auf eine am Boden liegende Metallhantelscheibe seines Trainingsgeräts aufschlug. Er versuchte, umgehend aufzustehen und seinerseits den Angeklagten anzugreifen, wozu er jedoch nicht mehr in der Lage war, weil er aufgrund eines erlittenen Bruchs des linken Unterkiefers im Bereich des Kieferwinkels mit sofort eingetretenen starken Blutungen im Mundinnenraum, in deren Folge er 500 bis 600 mg Blut verlor, sich an seinem Blut verschluckte und nicht mehr aufstehen konnte.

Es war nicht festzustellen, dass der Angeklagte den Geschädigten bei dem Schlag etwa anstatt mit der Faust mit einer Hantelscheibe - diese etwa in ein Handtuch gewickelt - getroffen hätte. Zudem war nicht auszuschließen, dass die Fraktur des Kiefers nicht bereits durch die Krafteinwirkung des Schlags des Angeklagten, sondern erst durch ein Auftreffen des Kopfs des Geschädigten auf dem Boden, etwa auf einer dort liegenden Hantelscheibe, entstanden ist."

Hiergegen richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltshaft Berlin. Ersterer hat lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben. Letztere beanstandet neben der gleichfalls erhobenen allgemeinen Sachrüge konkret den Umstand, dass der Angeklagte nicht wegen einer nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begangenen gefährlichen Körperverletzung verurteilt worden ist. Sie meint, die Urteilsfeststellungen trügen eine entsprechende Verurteilung.

Beide Revisionen bleiben ohne Erfolg.

I. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Revision deckt keinen Rechtsfehler auf, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben könnte.

II. Gleichfalls unbegründet ist die Revision der Staatsanwaltschaft. Denn das Urteil zeigt auch keinen zugunsten des Angeklagten begangenen sachlich-rechtlichen Fehler. Namentlich tragen die Urteilsfeststellungen eine Verurteilung nach § 223 Abs. 1 StGB, nicht aber eine solche nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.

1. Die Urteilsfeststellungen tragen die Bewertung der Tat als vorsä...

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