Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 177 F 10637/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 27.03.2014 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die am 18.09.2002 in H... /Syrien geschlossene Ehe der Beteiligten wird geschieden.

2. Ein des Anrechts des Ehemannes bei der D... Berlin-... (Vers.Nr. ...) findet nicht statt.

3. Ein Ausgleich des Anrechts der Ehefrau bei der D... (Vers Nr. ...) findet nicht statt.

Die Kosten der Scheidungssache und der Folgesache Versorgungsausgleich einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird hinsichtlich der Scheidung auf 3.000,00 EUR und hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Den Beteiligten wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Dem Antragsteller wird Rechtsanwalt ... und der Antragsgegnerin Rechtsanwalt ... beigeordnet.

 

Gründe

I. Die Beteiligten haben am 18.09.2002 in H... /Syrien geheiratet. Der Ehemann besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit; die Staatsangehörigkeit der Ehefrau ist ungeklärt (deutsches Personalstatut, Art. 5 Abs. 2 EGBGB).

Die Antragsgegnerin erkrankte im Jahr 2010 an Alzheimer Demenz. Es besteht eine ausgeprägte Symptomatik, die dazu führte, dass der Ehemann sie in einem Pflegeheim unterbrachte und ein Betreuer eingesetzt werden musste.

Mit Schriftsatz vom 10.06.2013 beantragte der Ehemann die Scheidung. In seiner Anhörung am 06.03.2014 erklärte er, dass er keinerlei eheliche Bindung an seine Ehefrau mehr fühle.

Der Ehemann hält die Ehe für gescheitert und beantragt,

die Ehe zu scheiden.

Die Ehefrau beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist selbst nicht in der Lage, sich zu der Scheidung zu äußern.

Ihr Betreuer erklärte, dass der Ehemann weiterhin Verantwortung für die Ehefrau getragen und die persönliche Beziehung zu ihr durch häufige Besuche aufrecht erhalten habe. Ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sei ausschließlich durch die deutsche Staatsangehörigkeit des Ehemannes und die Ehe mit ihm gesichert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens erster Instanz wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 27.03.2014 den Antrag des Ehemannes zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Härtefall gemäß § 1568 BGB vorliege. Die Abwägung der beiderseitigen Belange ergebe, dass das Interesse der Ehefrau an der Aufrechterhaltung der Ehe deutlich das Interesse des Ehemannes an der Ehescheidung überwiege, weil die Ehefrau existenzielle Gründe wegen der Abhängigkeit ihres Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland von der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen und wegen ihrer Pflegebedürftigkeit geltend machen könne.

Der Antragsteller macht mit der rechtzeitigen Beschwerde geltend, dass eine drohende Abschiebung nach der Scheidung keinen Härtegrund im Sinne des § 1568 BGB darstelle. Zudem sei der Antragsgegnerin am 31.03.2014 eine Niederlassungserlaubnis erteilt worden.

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Ehe der Beteiligten zu scheiden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den amtsgerichtlichen Beschluss für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Der Senat hat die Ausländerakte der Antragsgegnerin beigezogen und den Beteiligten unter Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung und deren Begründung mitgeteilt, dass von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen wird.

II. Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und form- und fristgerecht gemäß §§ 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 117 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 520 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO eingelegte und begründete Beschwerde des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen einer Ehescheidung liegen vor, denn die Ehegatten leben seit über einem Jahr getrennt; ihre Lebensgemeinschaft besteht nicht mehr und es ist nicht zu erwarten, dass die Ehegatten sie wieder herstellen, § 1565 Abs. 1 BGB. Dies ergibt sich aus der Anhörung des Ehemannes und der Tatsache, dass angesichts der Erkrankung der Ehefrau eine Wiederaufnahme der ehelichen Beziehung und ein Zusammenleben nicht mehr zu erwarten sind.

Die Eheschutzklausel des § 1568 BGB greift schon deshalb nicht (mehr) zu Gunsten der Ehefrau, weil sich aus der vom Senat beigezogenen Ausländerakte ergibt, dass der Ehefrau eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 Abs. 2 AufenthG erteilt wurde. Damit verfügt die Ehefrau über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Eine existenzbedrohende Abschiebung ist daher nicht zu befürchten und von der für das Vorliegen einer Härte darlegungspflichtigen Ehefrau auch nicht vorgetragen worden.

Im Übrigen ist die Härteklausel, wie schon ihre Fassung zeigt, sehr restriktiv auszulegen. Ihr Anwendungsbereich ist auf extreme Ausnahmefälle beschränkt (MünchKomm/E...

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