Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsfrist. Behauptung der Protokollfälschung durch einen Richter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Begriff der Kenntniserlangung von der Tat und der Person des Täters (§ 77b Abs.2 Satz 1 StGB).

2. Zum Tatsachenbegriff im Sinne des § 187 StGB - hier: Behauptung der Protokollfälschung durch einen Richter.

 

Normenkette

StGB § 77b Abs. 2 S. 1, § 187

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 13.03.2015; Aktenzeichen (574) 221 Js 6321/11 Ns (54/14))

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. März 2015 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte der Verleumdung schuldig ist; im Übrigen wird die Revision hinsichtlich des Schuldausspruchs nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Im Strafausspruch und im Gesamtstrafenausspruch wird das Urteil des Landgerichts Berlin nach § 349 Abs. 4 StPO mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung in Tateinheit mit Verleumdung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80 Euro verurteilt. Dem lag im Fall 1 zugrunde, dass der Angeklagte mit seiner an die Staatsanwaltschaft Berlin gerichteten Strafanzeige vom 11. August 2011 den Richter am Arbeitsgericht S. der Rechtsbeugung, Beleidigung u.a. bezichtigt und ausgeführt hatte, dass dieser eine Passage des Tatbestandes in dem Urteil vom 6. Mai 2011 (Az.: X Ca X/10 Arbeitsgericht Berlin) frei erfunden habe, um aus persönlicher Abneigung gegen den vom Angeklagten vertretenen Anzeigenden die Klage abweisen zu können. Der Verurteilung im Fall 2 lag zugrunde, dass der Angeklagte in dem Beschwerdeschriftsatz an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 27. Oktober 2011, mit dem er sich gegen die Einstellung des auf die vorgenannte Strafanzeige eingeleiteten Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO wandte, nunmehr behauptete, dass Richter S. das Protokoll der Hauptverhandlung gefälscht habe. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das angefochtene Urteil aufgehoben, den Angeklagten vom Vorwurf im Fall 1 freigesprochen und ihn wegen falscher Verdächtigung in Tateinheit mit Verleumdung im Fall 2 unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 8. November 2011 (Y Ds - Y Js Y/10 - Y/11) zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 80 Euro verurteilt.

II. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat Erfolg, soweit er sich gegen die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung wendet. Dem angefochtenen Urteil lässt sich eine Tathandlung im Sinne des § 164 StGB nicht entnehmen. Der Senat folgt den insoweit im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin in deren Antragsschrift vom 1. Juli 2015. Da nicht zu erwarten ist, dass in einer erneuten Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die zur Begründung eines Schuldspruchs wegen falscher Verdächtigung geeignet wären, war der Schuldspruch entsprechend abzuändern.

III. Soweit der Angeklagte wegen Verleumdung verurteilt worden ist, hat die Revision des Angeklagten keinen Erfolg.

1. Die von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08 -; KG, Urteil vom 23. Juni 2008 - (2/5) 1 Ss 213/04 (6/05) - des für eine Verurteilung wegen Verleumdung gemäß § 194 StGB erforderlichen Strafantrages liegt entgegen der Ansicht der Revision vor. Der Präsident des Arbeitsgerichts hat als Dienstvorgesetzter des Geschädigten mit Schriftsatz vom 14. November 2011 form- und fristgerecht Strafantrag gestellt (§§ 77a, 77b StGB, § 158 Abs. 2 StPO).

Die Revisionsbegründung meint hingegen, dass ein wirksamer Strafantrag nicht vorliege, weil ein solcher gemäß § 77b Abs. 2 Satz 1 StGB die "Kenntnis von Tat und Täter" erfordere; der Antragsteller habe nur Fall 1 (Strafanzeige) verfolgt wissen wollen, da ihm die Tat zu Fall 2 (Beschwerdeschriftsatz) nicht bekannt gewesen sei. Damit verkennt sie jedoch den Regelungsgehalt der zitierten Vorschrift. Diese bestimmt nämlich nur den Beginn des Laufes der Strafantragsfrist und legt diesen Zeitpunkt auf den Ablauf des Tages, an dem der Berechtigte "von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt" (wobei unter "Kenntnis" in diesem Zusammenhang ein zuverlässiges, innerer Gewissheit nahekommendes Wissen zu verstehen ist, vgl. Schmidt in LK, StGB 12. Aufl., § 77b Rdnr. 5). Eine Aussage zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt des Strafantrages, seinem notwendigen Inhalt oder dem zur Antragstellung notwendigen Kenntnisstand des Berechtigten trifft diese Vorschrift jedoch nicht. Die inhaltlichen Anforderungen an den Strafantrag sind vielmehr nach Sinn und Zweck der §§ 77 StGB und 158 StPO zu bestimmen, die maßgeblich auf den Verfolgungswillen des Berechtigten wegen einer...

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