Entscheidungsstichwort (Thema)

Treuwidrige Berufung auf Gerichtsstandsklausel

 

Normenkette

BGB § 242; ZPO §§ 12, 17

 

Tenor

Das LG Berlin wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I. Der Kläger hatte mit der E. Mineralöl GmbH mit Sitz in Düsseldorf im Jahr 1981 einen "Tankstellen-Verwalter-Vertrag" betreffend eine Tankstelle in Roetgen (Bezirk des LG Aachen) geschlossen. Kraftsstoffe sollten danach vom Kläger im Namen und auf Rechnung der E. gegen Provisionsbeteiligung vertrieben werden, während der Kfz-Pflegedienst und Verkauf von Zubehörartikeln von ihm im eigenen Namen auf eigene Rechnung erfolgen sollte. Für die Überlassung von Pflegehalle und Verkaufsraum zu diesem Zweck hatte er eine monatliche Pacht zu zahlen.

Die Gerichtsstandsklausel im Vertragsformular der E. (§ 14 Nr. 6) lautet:

"Erfüllungsort für Zahlungen ist Düsseldorf. Gerichtsstand ist nach Wahl von E. Düsseldorf sowie der Sitz der Niederlassung, in deren Bereich die Station gelegen ist, wenn Verwalter nicht Kaufmann im Sinne § 4 HGB ist."

Nach Beendigung des Vertrags nimmt der Kläger die Beklagte, die unstreitig nicht (Gesamt)-Rechtsnachfolgerin der E. ist, aber bei der Durchführung des Vertrags Erklärungen im eigenen Namen abgegeben hat und nach Ansicht des Klägers daher - neben der Rechtsnachfolgerin der E. Mineralöl GmbH, der E. Mineralöl und T. GmbH - unter dem Gesichtspunkt der Schuldmitübernahme passiv legitimiert ist, mit seiner bei dem LG Berlin eingereichten Klage auf Zahlung eines Ausgleichs nach § 89b HGB in Anspruch. Die Beklagte geht in ihrer Schlussabrechnung davon aus, dass der Kläger für den Zeitraum März bis November 2005 noch zur Zahlung weiterer Pacht i.H.v. 9 × 2.411,69 EUR = 21.705,21 EUR verpflichtet ist.

Die Beklagte, die ihren Sitz in Berlin hat, hat geltend gemacht, dass eine pachtrechtliche Streitigkeit vorliege und daher das LG Aachen nach § 29a ZPO ausschließlich zuständig sei; im Übrigen sei nach der Gerichtsstandsklausel Düsseldorf Gerichtsstand, so dass ein Gerichtsstand in Berlin ausscheide (Schriftsatz vom 21.12.2006). Mit Schriftsatz vom 15.3.2007 hat die Beklagte ihre Passivlegitimation bestritten, da sie nicht Rechtsnachfolgerin der E. sei.

Der Kläger hat die Verweisung an das LG Aachen beantragt, jedoch geltend gemacht, dass bei Nichteingreifen von § 29a ZPO es bei der Zuständigkeit des LG Berlin verbleiben müsse, da er bei Vertragsschluss noch kein Kaufmann gewesen sei.

Das LG Berlin hat sich mit Beschluss vom 8.10.2007 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Aachen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass beide Prozessparteien den Inhalt der Gerichtsstandsklausel offenbar dahin verstünden, dass der Gerichtsstand nach Wahl von E. entweder Düsseldorf oder "das für den Sitz der Station zuständige Gericht, hier also Aachen" sein sollte, und die Kammer diese Auffassung teile. Nach Maßgabe des Wahlrechts handele es sich um einen ausschließlichen Gerichtsstand. Die Beklagte sei konkludent in den Vertrag eingetreten, so dass die Gerichtsstandsvereinbarung auch ihr ggü. gelte.

Nach Hinweis des LG Aachen, dass es von seiner Unzuständigkeit ausgehe und die Verweisung des LG Berlin nicht für bindend halte, haben die Parteien am 4.12.2007 eine Vereinbarung getroffen, wonach das LG Aachen zuständig sein solle.

Das LG Aachen hat sich mit Beschluss vom 5.12.2007 für unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.

II.1. Die Zuständigkeit des Kammergerichts für das Bestimmungsverfahren folgt aus § 36 Abs. 2 ZPO, da das gemeinschaftlich höhere Gericht der am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte der BGH wäre und das zum Bezirk des Kammergerichts gehörende LG Berlin zuerst mit der Sache befasst war.

Das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist eröffnet, da sich beide Gerichte rechtskräftig im Sinne der Bestimmung (dazu s. BGHZ 102, 338 = NJW 1988, 1794 f.) für unzuständig erklärt haben.

2. Das LG Berlin ist örtlich zuständig. Die Verweisung an das LG Aachen ist wegen Willkürlichkeit nicht bindend.

a) Für die auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs nach § 89b HGB gerichtete Klage ist - vorbehaltlich der Begründung eines davon abweichenden ausschließlichen Gerichtsstandes nach § 38 ZPO - das LG Berlin zuständig. Hier hat die Beklagte ihren Sitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO).

§ 29a ZPO ist hingegen nicht einschlägig und begründet damit - wovon offenbar auch das LG Berlin in seinem Verweisungsbeschluss zutreffend ausgeht - keinen ausschließlichen Gerichtsstand am Ort der Station in Aachen. Eine Streitigkeit über Ansprüche aus einem Pachtverhältnis liegt nicht vor. § 29a ZPO greift nur, wenn die pachtweise Raumüberlassung den Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses darstellt (s. MüKo/Patzina, ZPO, 3. Aufl., § 29a Rz. 11, 13; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 29a Rz. 15; Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., § 29a Rz. 9). Das ist vorliegend nicht der Fall, da Schwerpunkt des Vertrags der Kraftstoffvertrieb im Wege...

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