Leitsatz (amtlich)

Ist gegen den Geschäftsführer einer GmbH, die eine Spielhalle betreibt, wegen ungenehmigten Betriebs eines EC-Karten-Terminals in einer Spielhalle (Verstoß gegen §§ 31 Abs. 1 Nr. 2 ZAG, 14 StGB) ein rechtskräftiger Strafbefehl erlassen worden, so sperrt dies die Verurteilung wegen bestimmter Ordnungswidrigkeiten nach dem SpielhG, die zeitgleich begangen worden sind.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 3; OWiG § 84 Abs. 1; StGB § 14; ZAG § 31 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 26.06.2014; Aktenzeichen 325 OWi 63/14)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. Juni 2014 aufgehoben.

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen dreier vorsätzlicher Zuwiderhandlungen und eines fahrlässig begangenen Verstoßes gegen das Berliner Spielhallengesetz (SpielhG Bln) zu vier Geldbußen in Höhe von insgesamt 2.450,00 Euro verurteilt. Es hat festgestellt, dass der Betroffene Geschäftsführer einer GmbH ist, die in der M.-Straße in Berlin - erlaubt - zwei Spielhallen betreibt. Der Betroffene hat zur Überzeugung des Amtsgerichts in acht zu den Spielhallen gehörenden Schaufenstern Monitore mit Werbung für in den Räumlichkeiten angebotene Automatenspiele aufgestellt (Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 SpielhG Bln, Fall 1). Ferner hat er zwölf Spielgeräte aufgestellt, bei denen Sichtblenden fehlten und (teilweise) der gebotene Mindestabstand nicht eingehalten war (Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 SpielhG Bln, Fall 2). An zwölf Geldspielgeräten fehlten die erforderlichen Aufstellerangaben (Verstoß gegen § 14 Abs. 3 GewO, Fall 3). Schließlich war der Betroffene zur Überzeugung der Bußgeldrichterin dafür verantwortlich, dass in beiden Spielhallen nur eine Aufsichtsperson zugegen war (Verstoß gegen § 6 Abs. 2 SpielhG Bln, Fall 4). Alle Taten sind nach den Urteilsfeststellungen am 24. Juli 2013 begangen worden. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und die Ansicht vertritt, der weiteren Verfolgung stehe das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs entgegen, hat Erfolg.

Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Prüfung, ob Verfahrenshindernisse einem Schuldspruch entgegenstehen, führt zur Aufhebung des Urteils, weil der Verfolgung § 84 Abs. 1 OWiG und Art. 103 Abs. 3 GG entgegenstehen.

1. Das Amtsgericht Tiergarten hat am 9. Dezember 2013 gegen den Betroffenen einen im Schuldspruch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl wegen des Tatvorwurfs erlassen, am 24. Juli 2013 als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person ohne Erlaubnis der Finanzdienstleistungsaufsicht Zahlungsdienste nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) dadurch erbracht zu haben, dass in einer der beiden Spielhallen in der M.-Straße ein EC-Karten-Terminal bereit gehalten wurde, an dem sich Spieler Bargeld auszahlen lassen konnten. Wegen dieses nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 2 ZAG, 14 StGB gewürdigten Vergehens hat das Amtsgericht Tiergarten auf den auf die Tagessatzhöhe beschränkten Einspruch des Betroffenen mit Urteil vom 13. März 2014, rechtskräftig seit 21. März 2014, eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 80,00 Euro festgesetzt.

2. Durch den Strafbefehl ist in Bezug auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren Strafklageverbrauch eingetreten. Eine Tat kann nach § 84 Abs. 1 OWiG nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden, wenn über sie bereits durch ein Gericht als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat rechtskräftig entschieden hat. Das ist hier der Fall, weil das im Strafbefehlsverfahren geahndete Vergehen dieselbe Tat im prozessualen Sinn betrifft wie die durch das Amtsgericht im angefochtenen Urteil abgeurteilten Sachverhalte.

a) Das in § 84 Abs. 1 OWiG konkretisierte Verbot wiederholter Strafverfolgung soll davor schützen, wegen einer Tat, die bereits Gegenstand einer rechtskräftig gewordenen strafgerichtlichen Ahndungsentscheidung geworden ist, in einem neuen Verfahren verfolgt zu werden. Über eine Tat ist nur ein Urteil möglich (vgl. BGHSt 21, 326; 49, 209). Tat im Sinne dieses Grundsatzes ist - unabhängig davon, ob sachlich-rechtlich Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) besteht - der prozessuale Gegenstand der Urteilsfindung i. S. von § 46 Abs. 1 iVm § 264 StPO. Er umfasst nicht nur den von der Anklage umschriebenen Vorgang, sondern auch das gesamte Verhalten des Beschuldigten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens eine Einheit darstellt, deren Aburteilung in getrennten Verfahren zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens führen würde (BVerfGE 45, 434; BGH NStZ 1998, 251; BGH StPO § 264 Abs. 1, Tatidentität 4).

b) Die durch die Bußgeldrichterin abgeurteilten Verstöße gegen das SpielhG Bln und gegen die GewO sind Dauerordnungswidri...

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