Leitsatz (amtlich)
Zum Nebeneinander einer Strafaussetzung gemäß § 57 StGB und eines Weihnachtsgnadenerweises.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 17.08.2007; Aktenzeichen H 19 / 120 PLs 1324/00 VRs - 546 StVK 1146/06) |
LG Berlin (Entscheidung vom 17.08.2007; Aktenzeichen J 19 / 14 Js 518/02 VRs - 546 StVK 1147/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 17. August 2007 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Mit Beschluß vom 24. Oktober 2006, rechtskräftig seit dem 14. November 2006, setzte die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 27. Juli 2001 (H 19 / 120 PLs 1324/00; Reststrafe: 72 Tage) und vom 5. Dezember 2002 (J 19 / 14 Js 518/02; Reststrafe 416 Tage) ab dem 5. November 2006 zur Bewährung aus, bestimmte die Bewährungszeit auf drei Jahre und unterstellte den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers.
Am 26. Oktober 2006 wurde er aufgrund des "Gnadenerweises zu Weihnachten 2006" der Senatsverwaltung für Justiz (vom 25. Juli 2006) aus der Haft entlassen. Soweit hier von Belang lautet er:
"Gefangene, die sich am
1. September 2006
in Strafhaft oder in Untersuchungshaft, die auf die vom Weihnachtsgnadenerweis betroffene Strafe angerechnet worden ist, befunden haben und deren Entlassung in die Zeit vom
25. Oktober 2006 bis 15. Januar 2007
fällt, werden am
24. Oktober 2006
entlassen, sofern folgende Voraussetzungen gegeben sind:
Der Gefangene muss mit der vorzeitigen Entlassung einverstanden sein. Unterkunft und Lebensunterhalt des Gefangenen müssen sichergestellt sein.
Der Weihnachtsgnadenerweis gilt auch für Gefangene, die in der Zeit vom 25. Oktober 2006 bis 15. Januar 2007 zu entlassen sind, weil das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe (§ 57 StGB) oder der Vollstreckung des Restes eines Strafarrestes (§ 14 a Abs. 2 WStG) angeordnet hat, mit folgender Maßgabe: Den Gefangenen wird für den aufgrund dieser Verfügung nicht zu vollstreckenden Teil der Strafe Strafunterbrechung gewährt. Die Zeit der Strafunterbrechung wird unter der auflösenden Bedingung auf die Strafzeit angerechnet, dass die bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung nicht widerrufen wird. ...
Der Teil der Freiheits-, Jugend-, Ersatzfreiheitsstrafe oder des Strafarrestes, der in den Zeitraum vom 25. Oktober 2006 bis 15. Januar 2007 gefallen wäre und der von dem Gefangenen infolge dieses Gnadenerweises nicht verbüßt wird, gilt mit Ausnahme der Fälle, in denen eine Strafunterbrechung gewährt wird, als erlassen. ...
Der vom Abgeordnetenhaus von Berlin gewählte Gnadenausschuss ist in der Sitzung vom 12. Juli 2006 gehört worden und hat einem Gnadenerweis in diesem Rahmen zugestimmt."
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 17. August 2007 stellte die Strafvollstreckungskammer fest, daß der Verurteilte nicht der Bewährungsaufsicht des Gerichts untersteht. Sie ist der Auffassung, er sei aufgrund eines individuellen Gnadenerweises der Senatsverwaltung für Justiz am 26. Oktober 2006 "auf Bewährung entlassen" worden; die Senatsverwaltung sei folglich (gemäß § 15 Abs. 1 GnO) auch für die Bewährungsüberwachung zuständig. Der Beschluß der Strafvollstreckungskammer sei dadurch überholt und gegenstandslos. Denn ein Gefangener, der bereits durch Gnadenerweis der Senatsverwaltung für Justiz "auf Bewährung entlassen" worden sei, könne nicht noch einmal aufgrund der (gleichlautenden) Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer (vom 24. Oktober 2006) entlassen werden, die nie ausgeführt worden seien.
Die dagegen gerichtete Beschwerde (§ 453 Abs. 2 Satz 1 StPO) der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1.
Die angefochtene Entscheidung verkennt die Abläufe ebenso wie den Regelungsgehalt der anzuwendenden Vorschriften und schafft ihrerseits begriffliche Verwirrung.
a)
Zunächst ist festzustellen, daß die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer mit denen die Reststrafen zur Bewährung ausgesetzt wurden, Bestand haben, durch die gnadenweise vorzeitige Entlassung weder überholt noch gegenstandslos, sondern von dem Verurteilten zu beachten sind (vgl. Senat, Beschluß vom 6. April 2001 - 5 Ws 31-32/01 -). Abgesehen von dem generellen Bestand einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung sind die Beschlüsse über die Reststrafenaussetzungen (nach § 57 StGB) gerade die unverzichtbare Voraussetzung dafür, daß eine vorzeitige Entlassung aufgrund des Gnadenerweises überhaupt möglich war. Falsch ist deshalb die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, die Senatsverwaltung für Justiz "mag den gerichtlichen Beschluß als Anlaß für eine Gnadenerwägung genommen haben".
Die fortbestehende Geltung der Reststrafenaussetzungsbeschlüsse ergibt sich zunächst daraus, daß der Entlassungszeitpunkt andernfalls nicht in die Zeit vom 25. Oktober 2006 bis 15. Januar 2007 gef...