Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderumlage bei insolventem Mehrheitseigentümer. Notgeschäftsführung bei der Beschlussanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Zahlungsunfähigkeit eines Mehrheitseigentümers hat die Wohnungseigentümergemeinschaft die Wahl, ob sie bei einer Sonderumlage zur Herstellung der Liquidität nur den Fehlbetrag in Höhe der offenen Rechnungen umlegt oder eine Erhöhung im Hinblick darauf vornimmt, dass der Mehrheitseigentümer mit Sicherheit weiterhin mit seinen Beiträgen ausfallen wird.

2. Bei unklaren Eigentümerbeschlüssen über die Sonderumlage kann das Gericht im Beschlussanfechtungsverfahren aufgrund der festgestellten Fehlbeträge auch die erforderliche Sonderumlage nach den vorstehenden Grundsätzen ersatzweise festlegen.

 

Normenkette

WEG § 23 IV, § 28 V; HGB § 146 Abs. 1, § 161 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 174/01 WEG)

AG Berlin-Wedding (Aktenzeichen 70 II 201/00 WEG)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten dritter Instanz werden den Beteiligten zu II. 10. und 13. sowie III. als Gesamtschuldnern auferlegt. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 38.149,89 EUR (74.614,69 DM) festgesetzt. In Änderung des angefochtenen Beschlusses wird der Geschäftswert zweiter Instanz auf 47.121,30 EUR (92.161,26 DM) festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten zu I. und II. bilden die Eigentümergemeinschaft der im Rubrum genannten Wohnanlage, die von dem Beteiligten zu III. verwaltet wird. Über das Vermögen der Beteiligten zu I. 3., der Mehrheitseigentümerin mit 572/1000stel Miteigentumsanteilen, wurde mit Beschluss vom 23. Juni 1997 das Konkursverfahren eröffnet, die Wohneinheiten der Beteiligten zu I. 3. (einer GmbH und Co. KG, deren Komplementär-GmbH sich in Liquidation befindet) jedoch mit Erklärung des Konkursverwalters vom 26. August 1997 gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH freigegeben. In Folge auch des finanziellen Zusammenbruchs der Mehrheitseigentümerin befindet sich die Wohnanlage in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, was die Bildung von Sonderumlagen erforderlich machte.

Mit Schreiben vom 6. September 2000 lud der Beteiligte zu III. die Eigentümer unter Angabe der Tagesordnung zu einer Versammlung, auf der u.a. zu TOP 4 die Beschlussfassung über eine Sonderumlage zur Finanzierung der offenen Verbindlichkeiten der Eigentümergemeinschaft über 144.614,69 DM stattfinden, zu TOP 5 die Frage der Fälligkeit geregelt werden sollte. Den Einladungsschreiben war eine Aufstellung der damals offenen Rechnungen beigefügt. Sie beliefen sich auf 65.675,31 DM. Laut Protokoll der Eigentümerversammlung vom 14. September 2000, in der die Beteiligte zu I. 3. durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH vertreten war, heißt es zu TOP 4, dass die Bildung einer Sonderumlage in Höhe von 144.614,69 DM zur Finanzierung der offenen Verbindlichkeiten der Gemeinschaft beschlossen wurde. Zu TOP 5 beschlossen die Eigentümer die Fälligkeit der Sonderumlage bis zum 25. September 2000.

Mit Schreiben vom 14. September 2000 fochten die Beteiligten zu I. 1. und I. 2. – soweit jetzt noch von Bedeutung – u.a. die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 4 und 5 mit der Maßgabe an, dass sie unwirksam seien, soweit der Betrag von 70.000,00 DM überschritten werde. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2000, eingegangen am 6. Oktober 2000, schloss sich der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Mehrheitseigentümerin (Beteiligte zu I. 3.) diesem Antrag an. Nach Erlass eines Teilbeschlusses des Amtsgerichts vom 21. Dezember 2000 zu einem hier nicht mehr interessierenden Streitpunkt haben die Antragsteller zu I. 1. und 2. mit Schreiben vom 9. April 2001 ihre Anfechtungsanträge zurückgenommen. Das Amtsgericht Wedding hat mit seinem Endbeschluss vom 30. April 2001 u.a. die Eigentümerbeschlüsse vom 14. September 1999 zu TOP 4 und 5 insoweit für ungültig erklärt, als die Sonderumlage den Betrag von 70.000,00 DM überschreitet. Die Erstbeschwerde aus den Kreisen der übrigen Miteigentümer (Beteiligte zu II. 10. und 13.) hat das Landgericht als unzulässig verworfen, weil ihnen die Beschwerdeberechtigung fehle, da sie einen Anfechtungsantrag im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung nicht mehr hätten stellen können (BGHZ 120, 396 = NJW 1993, 662). Mit der Behauptung, eine Sonderumlage in Höhe von 65.675,31 DM hätte ausgereicht, die Eigentümerversammlung vom 13. September 1999 sei im Übrigen beschlussunfähig und ihre Beschlüsse nichtig gewesen, hat die Beteiligte zu I. 3. Erstbeschwerde eingelegt, welche das Landgericht zurückgewiesen hat. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu III. (Verwalter) hat das Landgericht die Anfechtungsanträge gegen die Eigentümerbeschlüsse vom 14. September 2000 zu TOP 4 und TOP 5 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass eine Sonderumlage in Höhe von 144.614,69 DM beschlossen wurde. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu I. 3. sowie der Beteiligten ...

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