Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Aus den die Erfordernisse eines Haftraums beschreibenden Normen des StVollzG kann der Gefangene keinen subjektiven Anspruch ableiten. § 144 Abs. 1 StVollzG richtet sich ausschließlich an die Vollzugsbehörden und verschafft dem Gefangenen unmittelbar keinen Anspruch.

  • 2.

    Eine etwa dreimonatige Unterbringung eines Gefangenen in einem 5,3 qm großen Haftraum verstößt für sich genommen noch nicht gegen die Menschenwürde oder das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 07.03.2005; Aktenzeichen 543 StVK 611/04 Vollz)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des ehemaligen Gefangenen gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 7. März 2005 wird verworfen.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Der Antragsteller verbüßte eine mehrjährige Gesamtfreiheitsstrafe wegen Betruges in den Justizvollzugsanstalten Moabit, Tegel und Charlottenburg. Im August 2007 wurde er nach Verbüßung der Strafe in die Freiheit entlassen.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung ( § 109 Abs. 1 StVollzG) vom 10. August 2004, den er am 31. August 2004 ergänzte, begehrte er festzustellen, daß in den Jahren 1997 bis 2004 seine Unterbringung in einer Reihe von Hafträumen der Vollzugsanstalten Tegel und Moabit menschenunwürdig gewesen sei. Ferner verlangte er die Leistung von Schadensersatz. Teils seien die Hafträume zu klein, teils sei der Toiletten- und Waschbereich nicht baulich abgetrennt gewesen. Nach teilweiser Antragsrücknahme hatte die Strafvollstreckungskammer noch über folgende Anträge zu entscheiden:

1a)

Feststellung, daß die gemeinschaftliche Unterbringung in einem "zu kleinen Haftraum mit nicht baulich abgetrennter Toilette" in der Justizvollzugsanstalt Moabit vom 28. Januar bis 11. März 2003 rechtswidrig war,

1b)

Gewährung von 2.700 Euro Schadensersatz für die Unterbringung zu 1a,

2a)

Feststellung, daß die Einzelunterbringung (mit nicht baulich abgetrennter Toilette) in dem etwa 5,3 qm großen Haftraum A 3/85 in der Teilanstalt (TA) I der Justizvollzugsanstalt Tegel vom 5. Februar bis 3. Mai 2004 rechtswidrig war,

2b)

Gewährung von 5.400 Euro Schadensersatz für die Unterbringung zu 2a.

Die Strafvollstreckungskammer hat die Anträge mit dem angefochtenen Beschluß vom 7. März 2005 als unzulässig zurückgewiesen, den Antrag zu 1a wegen Verwirkung, diejenigen zu 1b und 2b, weil im Verfahren nach § 109 Abs. 1 StVollzG keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Zu 2a hat sie entschieden, dieser sei kein Fortsetzungsfeststellungsantrag, sondern ein allgemeiner Feststellungsantrag, weil sich die Maßnahme lange vor der Antragstellung erledigt habe. Dafür fehle das Feststellungsinteresse. Im folgenden hat sie zu ihm inhaltlich dahin Stellung genommen, die Grundfläche von "5,3 qm oder auch 5 qm" verstoße nicht gegen die Menschenwürde und sei "gerade noch hinnehmbar". Eine Mindestgrundfläche von 7 qm, wie der Beschwerdeführer meint, habe die Rechtsprechung nicht verlangt.

Gegen diesen Beschluß hat der ehemalige Gefangene die Rechtsbeschwerde erhoben und mit der Sachrüge begründet. Nachdem der Senat die Prozeßkostenhilfe nur für den Antrag zu 2a gewährt hatte, der sich auf den mit einer Grundfläche von etwa 5,3 qm und einem Rauminhalt von etwa 14,3 Kubikmeter einschließlich nicht baulich abgetrennter Toilette ausgestatteten Haftraum in der Teilanstalt (TA) I Justizvollzugsanstalt Tegel bezog, wo der ehemalige Gefangene vom 5. Februar bis zum 3. Mai 2004 während der Eingangsuntersuchung untergebracht war, hat er die Rechtsbeschwerde auf dieses Begehren beschränkt und die Sachrüge weiter ausgeführt.

Das Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

1.

Der Senat hat von Amts wegen zu überprüfen, ob der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig war (vgl. OLG Celle NStZ 1989, 295; OLG Stuttgart NStZ 1986, 480; Kamann/Volckart in AK-StVollzG 5. Aufl., § 116 Rdn. 4). Denn dies stellt eine Verfahrensvoraussetzung dar. Fehlte sie, wären die Rechtsbeschwerde und der Antrag des ehemaligen Gefangenen ohne weiteres als unzulässig zurückzuweisen (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.).

a)

Die Prüfung ergibt, daß der ehemalige Gefangene entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer einen zulässigen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt hat, mit dem er seine während der beanstandeten Haftsituation angebrachten Beschwerden gegenüber der Vollzugsbehörde fortgeführt hat.

aa)

Als allgemeiner Feststellungsantrag - ohne vorheriges Herantreten an die Vollzugbehörde - wäre das Begehren des Gefangenen nicht zulässig gewesen. Im Hinblick auf die in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Rechtsschutzgarantie ist zwar anerkannt, daß ein derartiger Antrag zur Füllung eventueller Rechtsschutzlücken zulässig sein muß, obwohl das Strafvollzugsgesetz diese Antragsart nicht regelt (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2004, 29 = ZfStrVO 2004, 106...

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