Leitsatz (amtlich)

Eine verfehlte Entscheidung über die Vollstreckbarkeit kann nur dann nach § 319 ZPO als offenbare Unrichtigkeit berücksichtigt werden, wenn sich aus den Gründen zweifelsfrei entnehmen lässt, dass der im Tenor enthaltene Ausspruch über die Vollstreckbarkeit nicht dem Willen des Richters entspricht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 11.04.2013; Aktenzeichen 12 O 385/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 19.4.2013 wird der Berichtigungsbeschluss der Zivilkammer 12 des LG Berlin vom 11.4.2013 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 27.5.2013 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden niedergeschlagen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gem. § 319 Abs. 3, 567, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Berichtigung des Urteils lagen nicht vor.

§ 319 ZPO lässt bei Schreibfehlern, Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten jederzeit eine Berichtigung von Amts wegen zu. Nur eine versehentliche Abweichung des vom Gericht Erklärten von dem von ihm Gewollten rechtfertigt eine Berichtigung nach dieser Vorschrift. Eine falsche Willensbildung des Gerichts kann nicht mit Hilfe dieser Bestimmung korrigiert werden (Zöller/Vollkommer ZPO, 29. Aufl., § 319 Anm. II 1). Stets muss der Irrtum "offenbar" sein, d.h. er muss sich aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlass ergeben. Ein gerichtsintern gebliebenes Versehen, das meist nicht ohne weitere Beweiserhebung überprüft werden kann, ist keine "offenbare Unrichtigkeit" i.S.d. § 319 ZPO (BGHZ 20, 188, 192; BGH NJW 1985, 742). Das Versehen muss, da Berichtigungen nach

§ 319 ZPO auch von Richtern beschlossen werden können, die an der fraglichen Entscheidung nicht mitgewirkt haben, auch für Dritte ohne weiteres deutlich sein (BGH NJW 1985, 742). Tenorierungsfehler sind dann nicht offenbar, wenn sich das Versehen des Gerichts nicht irgendwie aus den Entscheidungsgründen ergibt (Zöller, a.a.O., § 319 Rz. 7).

Eine verfehlte Entscheidung über die Vollstreckbarkeit kann nur dann nach

§ 319 ZPO als offenbare Unrichtigkeit berücksichtigt werden, wenn sich aus den Gründen zweifelsfrei entnehmen lässt, dass der im Tenor enthaltene Ausspruch über die Vollstreckbarkeit nicht dem Willen des Richters entspricht (Münchener Kommentar, ZPO, 2013, § 319 Rz. 11; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 319 Rz. 18; OLG Celle, NJW 1955, 1843; OLG Düsseldorf, BB 1977, 471).

Im vorliegenden Fall liegt eine derartige offenbare Unrichtigkeit nicht vor.

Der die Vollstreckbarkeitsentscheidung enthaltende Tenor zu Ziff. 4 des Urteils vom 4.4.2013 ist in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Insbesondere falsch ist, dass danach das Urteil "für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages" vorläufig vollstreckbar ist. Tatsächlich ist aber die Vollstreckung der ausgeurteilten Räumung gem. § 708 Ziff. 7 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gemäß § 711 ZPO hätte das LG zudem auszusprechen gehabt, dass die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die mit Beschluss des LG vom 11.4.2013 vorgenommene Berichtigung des Urteilstenors zu Ziff. 4 korrigiert ein gerichtsintern gebliebenes Versehen, aber keine offenbare Unrichtigkeit. Den Gründen des Urteils lässt sich nicht entnehmen, dass der im Tenor enthaltene Ausspruch über die Vollstreckbarkeit nicht dem Willen des Richters entspricht, denn danach beruht die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Aus der Begründung des Berichtigungsbeschlusses vom 11.4.2013 ergibt sich, dass die erkennende Richterin übersehen hat, dass die Vollstreckung der Räumung gem. § 708 Nr. 7 ZPO zu erfolgen hat.

Soweit das LG mit Beschluss vom 27.5.2013 den Berichtigungsbeschluss vom 11.4.2013 ergänzt und das Urteil vom 4.4.2013 berichtigt hat, handelt es sich entgegen der Auffassung des LG nicht um eine Teilabhilfe, sondern um eine Berichtigung des Berichtigungsbeschlusses. Um eine Teilabhilfe handelt es sich deshalb nicht, weil sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Berichtigung vom 4.4.2013 gewandt und keine weitere Berichtigung angestrebt hat. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Berichtigung des Berichtigungsbeschlusses liegen nicht vor, da schon der erste Berichtigungsbeschluss mangels Vorliegens einer offenbaren Unrichtigkeit in nicht gesetzlicher Weise ergangen ist. Davon abgesehen erfolgte auch die Berichtigung mit Beschluss vom 27.5.2013 nicht zur Korrektur einer offenbaren Unrichtigkeit, sondern "weil bei der Abfassung des Berichtigungsbeschlusses versehentlich die Abwendungsbefugnis des Beklagten nach § 711 ZPO hinsichtlich der Räumungsvollstreckung nicht aufgenommen worden ist".

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG ...

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