Leitsatz (amtlich)

Ein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in einer Kindschaftssache (§ 155 Abs. 1 FamFG) liegt nicht vor, wenn wegen des Notbetriebs im Familiengericht aufgrund der Corona-Pandemie der Bericht eines Verfahrensbeistandes erst einen Monat nach Eingang bearbeitet wird und die Kinder seit mehr als 3 Jahren keinen Umgang mit ihrem Vater haben.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 08.06.2020; Aktenzeichen 89 F 19/20)

 

Tenor

Die Beschleunigungsbeschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 08.06.2020 - 89 F 19/20 - wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 1.000,00 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Vater rügt, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot gemäß § 155 Abs. 1 FamFG entspreche.

Die Eltern, deren Ehe mittlerweile geschieden ist, haben sich im November 2011 getrennt. Seit April 2012 haben die Eltern zahlreiche gerichtliche Verfahren über den Umgang des Vaters mit den Kindern und die elterliche Sorge geführt.

Das Amtsgericht Schöneberg hat mit Beschluss vom 09.03.2017 (89 F 40/16) den Umgang des Vaters mit den Kindern bis zum 31.12.2018 ausgeschlossen. Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 07.12.2018 (13 UF 83/17) die dagegen gerichtete Beschwerde des Vaters zurückgewiesen und den Umgang weiter bis zum 31.12.2019 ausgeschlossen. Für die Zeit ab 01.01.2020 hat es den Umgang im Wesentlichen dahingehend geregelt, dass begleitete Umgänge stattfinden sollen, wenn der Träger der Umgangsbegleitung zuvor mindestens 4 Gespräche mit den Kindern und 8 Gespräche mit den Eltern geführt hat.

Mit Antrag vom 20.01.2020 zum Geschäftszeichen 89 F 40/16 hat der Vater ein Vermittlungsverfahren eingeleitet, damit die Festlegungen des Beschlusses des Kammergerichts schnell umgesetzt werden. Daraufhin hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 23.01.2020 das hiesige Verfahren anlegen lassen und mit Verfügung vom 28.01.2020 einen Anhörungstermin für den 20.02.2020 anberaumt. Am 20.02.2020 hat das Amtsgericht die Eltern und das Jugendamt angehört. Das Vermittlungsverfahren ist gescheitert.

Das Amtsgericht hat daraufhin das Verfahren als Umgangsabänderungsverfahren fortgeführt. Der Vater begehrt Umgang ohne vorausgehende Elterngespräche. Die Mutter begehrt eine weitere Umgangsaussetzung. Mit Beschluss vom 21.02.2020 hat das Amtsgericht einen Verfahrensbeistand bestellt. Am 27.03.2020 ist der Bericht des Verfahrensbeistandes vom 24.03.2020 beim Amtsgericht eingegangen. Mit Verfügung vom 28.04.2020 hat die Abteilungsrichterin die Versendung des Berichts und die Ladung der Kinder und des Verfahrensbeistandes zur Kindesanhörung am 16.06.2020 verfügt.

Mit Schreiben vom 13.05.2020 (zum Aktenzeichen 13 UF 90/20) hat der Vater die Verfahrensdauer gerügt. Das Schreiben trägt die Eingangsstempel des Amtsgerichts Schöneberg vom 14.05.2020 und vom 25.05.2020. Mit Verfügung vom 27.05.2020 hat die Abteilungsrichterin mitgeteilt, dass ihr der Schriftsatz erst an diesem Tag vorgelegen habe, weil er aufgrund des angegebenen kammergerichtlichen Aktenzeichens zunächst an das Kammergericht weitergesandt worden sei. Gleichzeitig hat die Abteilungsrichterin unter Angabe der Gründe mitgeteilt, dass sie beabsichtige die Beschleunigungsrüge zurückzuweisen und hat eine Übersendung der Beschleunigungsrüge an die anderen Verfahrensbeteiligten zur freigestellten Stellungnahme binnen 3 Tagen verfügt. Hierauf hat der Vater mit Schriftsatz vom 02.06.2020 Stellung genommen.

Mit Beschluss vom 08.06.2020 hat das Amtsgericht die Beschleunigungsrüge zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass der Geschäftsbetrieb durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkt gewesen sei und die 12 und 13 Jahre alten Kinder bereits seit mehr als 3 Jahren keinen Umgang mehr mit dem Vater gehabt hätten.

Am 16.06.2020 hat das Amtsgericht die Kinder angehört und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Anhörungsvermerk binnen 2 Wochen gewährt.

Mit Schreiben vom 12.06.2020, eingegangen beim Amtsgericht am 15.06.2020 (zum Aktenzeichen 13 UF 19/20), hat sich der Vater über den Beschluss des Familiengerichts beschwert.

II. Die Beschleunigungsbeschwerde des Vaters ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 155c Abs. 1 und 2 FamFG eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet, denn die bisherige Verfahrensdauer des familiengerichtlichen Verfahrens widerspricht nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG.

Nach § 155c Abs. 3 Satz 1 FamFG hat das Beschwerdegericht, soweit das Amtsgericht einen Beschluss nach § 155b Abs. 2 Satz 1 FamFG gefasst hat, auf die Beschleunigungsbeschwerde hin festzustellen, ob die bisherige Dauer des Verfahrens dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.

Eine generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt wurde, ist dabei nach Auffassung des Gesetzgebers nicht möglich. Ein Maßstab für diese Frage ist die Orientierung am Kindeswohl, welches das Beschleunigung...

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