Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherung des Besitzüberlassungsanspruchs im Falle der "Doppelvermietung"

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle der "Doppelvermietung" kann der Besitzüberlassungsanspruch des ersten Mieters gegenüber dem Vermieter nicht durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 17.01.2007; Aktenzeichen 29 O 28/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 19.1.2007 gegen den Beschluss des LG Berlin vom 17.1.2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei einem Beschwerdewert von 5.816 EUR zu tragen.

 

Gründe

Die gem. § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer Unterlassungsverfügung mit dem Inhalt, dass die Antragsgegnerin es bis zu einer rechtskräftigen Hauptsachenentscheidung zu unterlassen habe, die im Haus Tempelhofer Damm 181 in Berlin, Vorderhaus Erdgeschoss rechts gelegenen Gewerberäume an einen Dritten zur Nutzung zu übergeben, zu Recht zurückgewiesen.

Für den Fall der sog. Doppelvermietung ist es in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob ein Mieter seinen Anspruch auf Besitzüberlassung ggü. dem zweiten Mieter durch einstweilige Verfügung sichern kann. Nach der einen Ansicht wird in diesem Falle der Erlass einer einstweiligen Verfügung als zulässig bejaht (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 336; Zimmermann in Beierlein/Kinne/Koch, Stackmann/Zimmermann, Der Mietprozess, 2006, 11. Kapitel, Rz. 17 ff., 20; Staudinger/Emmerich, BGB, 2003, § 536 BGB; Rz. 48 differenziert danach, ob bereits einer der Verträge erfüllt ist; Bub/Treier/Fischer; Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., VIII, Rz. 118; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 938 ZPO, Rz. 12). Nach anderer - überwiegend in der jüngeren Rechtsprechung vertretenen Ansicht - wird bei dieser Konstellation der Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig angesehen (vgl. OLG Hamm OLG Hamm v. 15.10.2003 - 30 U 131/03, OLGReport Hamm 2004, 238 = NJW-RR 2004, 521; OLG Schleswig MDR 2000, 1428; OLG Brandenburg v. 6.8.1997 - 3 U 72/97, OLGReport Brandenburg 1997, 329 = MDR 1998, 98; OLG Frankfurt MDR 1997, 137; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 536 BGB, Rz. 30; Schmidt/Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 536 BGB, Rz. 289, 261; Schmid, Mietrecht, 2006, § 940a ZPO, Rz. 15a; § 536 BGB, Rz. 145).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Meinung an und geht davon aus, dass der Überlassungsanspruch eines Mieters ggü. den Rechten eines anderen Mieters im Wege der einstweiligen Verfügung nicht gesichert werden kann.

Im Falle der Doppelvermietung gilt nicht der Grundsatz der Priorität des Mietvertragsschlusses für die Frage, an wen der Vermieter die Mietsache zu übergeben hat. Der Vermieter kann und darf selbst entscheiden, welchen Vertrag er erfüllt und an welchen Mieter er ggf. Schadensersatz leistet. Dies entspricht dem Wesen der Privatautonomie, die auf dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Selbstbestimmung über die eigenen Interessen einer Partei beruht (Münchener Kommentar/Thode, BGB, 4. Aufl., § 305 BGB, Rz. 3e; OLG Frankfurt, a.a.O.). Der Vermieter, der einen Mietvertrag abschließt, begibt sich noch nicht seines durch die Vertragsfreiheit geschützten Rechts, an einen Dritten erneut zu vermieten. Der Vermieter als Schuldner kann sich bis zur Zwangsvollstreckung entscheiden, an wen er leistet; dieses Wahlrecht ist als Ausfluss der Vertragsfreiheit schützenswert (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Wenn der Gegenansicht gefolgt wird, würde allein das Zufallsprinzip herrschen. Derjenige Mieter, der zuerst eine einstweilige Verfügung erwirkt, würde dem Vermieter ggf. auch gegen dessen zwischenzeitlich geänderten Willen als Vertragspartner aufgedrängt werden, so dass er gezwungen wäre, an diesen zu leisten. Dies widerspräche aber dem dargelegten Grundsatz der Privatautonomie.

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin mit der Beschwerde geltend, dass sie aufgrund des treuwidrigen Verhaltens des Vermieters, der in Kenntnis eines bestehenden Mietvertrags einen weiteren Mietvertrag schließe, weitgehend rechtlos gestellt werde. Denn der Mieter, dem infolge der Dispositionsfreiheit über das Mietobjekt dieses nicht mehr überlassen werden kann, ist durch Schadensersatzansprüche hinreichend geschützt (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht (§§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 574 ZPO, Rz. 4).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1720143

DWW 2007, 201

NJW-RR 2007, 1167

NZM 2007, 518

ZMR 2007, 614

MDR 2007, 1126

NJ 2007, 277

WuM 2007, 207

GuT 2007, 96

Info M 2007, 281

MietRB 2007, 141

OLGR-Ost 2007, 475

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