Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den bislang nicht betreuenden Elternteil

 

Leitsatz (amtlich)

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge ist auf einen Elternteil allein zu übertragen, wenn zwischen den Eltern unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Frage bestehen, bei welchem Elternteil das Kind leben soll.

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 02.02.2004; Aktenzeichen 127 F 15403/02)

 

Tenor

1. Die befristete Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 2.2.2004 - 127 F 15403/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Der Vater hat der Mutter die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige, insb. form- und fristgemäß eingelegte Beschwerde des Vaters ist nicht begründet. Gemäß § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB ist die gemeinsame elterliche Sorge insgesamt oder eines Teils davon dann aufzuheben, wenn dies sowie deren (teilweise) Übertragung auf einen Elternteil allein dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge ggü. der alleinigen Sorge den Vorrang einzuräumen (vgl. BVerfG v. 18.12.2003 - 1 BvR 1140/03; auf der Internet-Seite des BVerfG abrufbar); ein solcher ist auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB enthalten. Genauso wenig kann vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (BVerfG v. 18.12.2003 - 1 BvR 1140/03, m.w.N.). Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt in aller Regel eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern voraus. Dabei kommt es insb. darauf an, dass eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen überhaupt noch in einer Art und Weise möglich ist, die auch bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistet. Denn elterliche Gemeinsamkeit lässt sich weder vom Gesetzgeber noch von den Gerichten verordnen; streiten sich Eltern bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fortwährend über die das Kind betreffenden Angelegenheiten, kann dies zu Belastungen führen, die mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar sind (vgl. BGH v. 29.9.1999 - XII ZB 3/99, MDR 2000, 31, m. Anm. Oelkers = FamRZ 1999, 1646 [1647]).

Vorliegend können sich die Eltern nicht darüber einigen, bei welchem Elternteil die Kinder leben sollen. Insoweit bestehen auch nach der Anhörung der Eltern durch den Senat unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten der Eltern, die nicht in der Lage waren, hierüber eine Einigung zu erzielen. Unter diesen Umständen ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge auf einen Elternteil allein zu übertragen.

Das AG hat vorliegend zu Recht der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein übertragen. Der Senat schließt sich insoweit der Beurteilung des AG nach eigener Anhörung der Eltern und des Kindes T.O. an und nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen im Beschl. v. 13.4.2004, S. 2 und 3.

Die Anhörung der Eltern hat zu keiner abweichenden Beurteilung geführt. Die Eltern haben übereinstimmend angegeben, dass seit der Übersiedlung der Kinder nach Dresden der Umgang zwischen dem Vater und den Kindern reibungslos verläuft. Insoweit sind die Eltern imstande, den Umgang ohne gerichtliche Hilfe zu regeln. Die Eltern haben auch übereinstimmend angegeben, dass beide Kinder in den Sommerferien vier Wochen beim Vater in Berlin verbracht haben. Der Vater hält weiter an der Auffassung fest, dass die Kinder bei ihm besser untergebracht seien, weil durch ihn und seine nicht erwerbstätige Lebensgefährtin eine durchgehende persönliche Betreuung beider Kinder im Haushalt gewährleistet ist. Dem ggü. ist die Mutter der Meinung, die Kinder seien bei ihr besser aufgehoben; sie arbeite nur 87 Stunden pro Monat und könne in der Zeit eventueller beruflicher Abwesenheit die Betreuung beider Kinder durch die Hilfe der Großeltern mütterlicher- wie väterlicherseits sowie gelegentlich eines Babysitters bestens gewährleisten.

Der Senat hält daran fest, dass die Kinder nunmehr bei der Mutter in Dresden verbleiben sollen. Der Grundsatz der Kontinuität, der die erstinstanzlich beauftragt gewesene Sachverständige dazu bewogen hatte, sich für einen Verbleib beim Vater auszusprechen, war schon nicht mehr eingehalten worden, nachdem der Vater im November 2003 von B.-M. nach B.-... verzogen war und deshalb T.O. umgeschult werden und S. den Kindergarten wechseln musste. Nachdem die Mutter nunmehr die Kinder mit an ihren Wohnort in Dresden mitgenommen hat, wurde für beide Kinder ein erneuter Wechsel erforderlich, so dass T.O. innerhalb seines ersten Schuljahres drei verschiedene Schulen besucht hat und S. in drei verschiedenen ...

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