Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörung durch beauftragten Richter im Vollstreckungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Fortdauer einer Unterbringung die Strafvollstreckungskammer einen Untergebrachten in seiner aktuellen Besetzung zuvor nicht angehört hat, sich zudem seit der letzten Anhörung die Sachlage wesentlich geändert hat und die prognostische Beurteilung schwierig und problembehaftet ist, scheidet eine Übertragung der mündlichen Anhörung auf den beauftragten Richter aus.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 06.07.2015; Aktenzeichen 592 StVK 321/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 6. Juli 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Berlin ordnete mit Urteil vom 18. Mai 1994 im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB an.

Er hatte am 6. Januar 1993 in der wahnhaften Annahme, seine damalige Partnerin wolle ihn im Auftrag der Stasi vergiften, dieser in Tötungsabsicht mehr als dreißig Messerstiche beigebracht, wovon einige lebensgefährlich waren und bei der Geschädigten bleibende Schäden hinterließen. Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Strafkammer war die Einsichtsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt aufgrund eines akuten Ausbruchs einer chronisch schizophrenen Psychose aufgehoben im Sinne des § 20 StGB.

Der Beschwerdeführer war seit dem 6. Januar 1993 zunächst gemäß § 126a StPO einstweilig in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik untergebracht. Seit Rechtskraft des Urteils am 19. Juli 1994 wird die Unterbringung vollzogen.

Seither ordnete die Strafvollstreckungskammer turnusmäßig, so auch mit Beschluss vom 23. Juni 2014, die Fortdauer der Unterbringung an.

Zuletzt erstellte der Sachverständige Dr. med. H. am 26. Februar 2013 ein kriminalprognostisch-psychiatrisches Gutachten. Danach litt der Untergebrachte nach wie vor an einer paranoiden Schizophrenie mit Residualsymptomatik (ICD: F 20.05), die bereits Grundlage der Anordnung der Unterbringung im Ausgangsurteil war. Ein Heilungserfolg sei nicht eingetreten und die Gefährlichkeit des Untergebrachten unverändert hoch. Langfristig sei jedoch zu erwarten, dass die Dynamik im Zuge des Alterungsprozesses tendenziell weiter abnehmen werde, so dass der Sachverständige eine neuerliche Prüfung in den "nächsten Jahren" als sinnvoll bezeichnete.

In ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 11. Mai 2015 haben die behandelnden Ärzte des Vollzugskrankenhauses zur Behandlungs- und Legalprognose des Untergebrachten u.a. folgendes ausgeführt:

"Deutlicher in diesem, aber auch in den zurückliegenden Berichtszeiträumen hat Herr A. wiederholt - allerdings nach vorangegangenen Ablehnungen - um eine antipsychotische Behandlung gebeten, sobald die Prozessaktivität der Psychose über ein gewisses Maß hin zugenommen hatte. Somit kann von einer Intervalltherapie gesprochen werden, in deren Ergebnis zumindest die Exazerbation hochakuter Krankheitsepisoden in der jüngeren Vergangenheit mit hinreichender Zuverlässigkeit verhindert werden konnte. (...) In diesem Sinne darf die Behandlungsprognose dennoch vorsichtig positiv gewertet werden, da die Gefährlichkeit des Patienten, die Anlass zur Unterbringung im Maßregelvollzug gegeben hatte, in einer hochakuten Krankheitsphase zu Tage getreten war. Vor dem Hintergrund des langen und komplizierten Verlaufs bleibt die Behandlungsprognose aber weiterhin noch unsicher. (...) In Zusammenschau von Behandlungs- und Sozialprognose werten wir die Legalprognose gegenwärtig zwar nicht mehr als ungünstig, aber noch als unsicher. Zugleich möchten wir darauf verweisen, dass wir die Gefährlichkeit des Herrn A. als nicht mehr so hoch wie noch im Prognosegutachten aus dem Jahr 2013 dargestellt erachten; zum einen mit Verweis auf die zwischenzeitlich etablierte antipsychotische Intervalltherapie, zum anderen auf die entlang der zurückliegenden Jahre deutlich rückläufigen körperlichen Aggressivität des nun bereits 69-jährigen Patienten. So ist der letzte aggressive Durchbruch (...) nach Aktenlage im Februar 2003 zu verzeichnen gewesen, liegt also mehr als ein Jahrzehnt zurück."

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - erneut die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Vor der Entscheidung hatte die Strafvollstreckungskammer den Untergebrachten nicht durch den gesamten Spruchkörper angehört, sondern die Durchführung der mündlichen Anhörung dem Vorsitzenden als beauftragtem Richter übertragen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem persönlichen Eindruck sämtlicher an der Entscheidung beteiligter Richter trotz des Umstandes, dass die Kammer in seiner aktuellen Besetzung den Untergebrachten ...

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