Leitsatz (amtlich)

Die zur Aussetzung der Hauptverhandlung führende Erkrankung eines an der Hauptverhandlung beteiligten Richters ist grundsätzlich ein wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO. Das gilt auch dann, wenn die vorangegangene Prognose des Vorsitzenden, keinen Ergänzungsrichter zu benötigen, sich als unzutreffend erwiesen hat, jedoch vertretbar gewesen ist.

 

Normenkette

StPO § 121 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 29.01.2009; Aktenzeichen (519) 83 Js 749/08 KLs (8/08))

 

Tenor

1. Die Untersuchungshaft der Angeklagten dauert fort.

Bis zum Urteil, längstens bis zum 23. Mai 2009, wird die Haftprüfung dem Landgericht Berlin übertragen.

2. Die Beschwerden der Angeklagten Y. und M. gegen den Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Berlin vom 29. Januar 2009 werden für erledigt erklärt.

3. Die Beschwerde des Angeklagten Y. gegen den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 29. Januar 2009 wird als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Die Angeklagten K., D., Y., M. und D. befinden sich seit dem 22. April 2008 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Mit dem Haftbefehl vom 30. September 2008 hat das Landgericht den Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 8. April 2008 ersetzt. Den Angeklagten wird jeweils gemeinschaftlich begangene Steuerhinterziehung in insgesamt 21 Fällen zur Last gelegt, wobei sie insgesamt in Höhe von 3.755.014,80 EUR Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile für sich oder einen anderen erlangt haben sollen. In 12 Fällen (Fälle 4 - 15) sollen die Angeklagten den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht haben, wobei es in 5 Fällen (Fälle 4, 5 und 7 - 9) beim Versuch verblieb; in 9 Fällen (Fälle 1 - 3, 16 - 21) sollen sie die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen haben. Dabei sollen sie in 12 Fällen (Fälle 2, 4 - 9, 12 - 15 und 20) aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Steuern verkürzt und nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt haben und in 4 Fällen (Fälle 16 - 18 und 21) als Mitglieder einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Abs. 1 AO verbunden hat, Umsatzsteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatzsteuervorteile erlangt haben, wobei es wiederum in 3 Fällen (Fälle 16 - 18) zur Verkürzung von Steuern in einem großem Ausmaß kam. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der mit Beschluss vom 30. September 2008 zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage, die die Staatsanwaltschaft Berlin am 21. August 2008 vor der 19. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Berlin erhoben hat, Bezug genommen.

Nachdem am 9. Oktober 2008 mit der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten und weitere fünf Mitangeklagte begonnen worden war, musste sie nach 15 Verhandlungstagen wegen der Erkrankung des Vorsitzenden Richters mit Beschluss vom 29. Januar 2009 ausgesetzt werden. Zugleich hat die Kammer durch Beschluss vom selben Tag die Haftfortdauer gegen die Angeklagten angeordnet und die Akten dem Senat zur Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach § 121 Abs. 1 StPO vorgelegt. Er ordnet sie an.

1. Die Angeklagten sind der ihnen zur Last gelegten Straftaten aufgrund der in der Anklageschrift genannten Beweismittel und des Ergebnisses der in der ausgesetzten Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies wird auch von ihnen selbst nicht in Frage gestellt.

2. Bei allen Angeklagten besteht Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

Soweit es die Angeklagten Y. und D. betrifft, nimmt der Senat auf seine Ausführungen in den Beschlüssen vom 21. Oktober 2008 - 1 Ws 351/08 - und vom 31. Oktober 2008 - 1 Ws 357/08 - Bezug. Die Erwägungen, aus denen er in diesen Entscheidungen den Vollzug der Untersuchungshaft für erforderlich erachtet hat, gelten auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Beschwerde des Angeklagten Y. vom 6. Februar 2009 unverändert fort.

Die Angeklagten M., K. und D. haben nach den zutreffenden Ausführungen der Strafkammer in dem Beschluss vom 29. Januar 2009 wegen der Schwere der Vorwürfe ebenfalls mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von deutlich mehr als fünf Jahren zu rechnen. Die Erwartung, eine derart lange Freiheitsstrafe verbüßen zu müssen, bietet allen Angeklagten einen starken Anreiz, sich dem Abschluss des Strafverfahrens und der drohenden anschließenden Strafvollstreckung durch Flucht zu entziehen. Der Fluchtanreiz ist im Hinblick auf die Höhe der Strafe so groß, dass lediglich noch zu prüfen ist, ob Umstände ersichtlich sind, die ihm ausreichend entgegenwirken können (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 12. Juli 2001 - 5 Ws 315/01 - m.w.N.). Dies ist nicht der Fall. Für den Angeklagten D. sprechen zwar die in dem Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. Februar 2009 näher beschriebenen familiären Bindungen. Weitere soziale Bindungen, welche die Wahrscheinl...

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