Leitsatz (amtlich)

Bei einem niedrigeren Grad der Alkoholisierung (hier 0,41 mg/l) müssen die Urteilsgründe die als Anzeichen einer Fahrunsicherheit gewerteten Fahrfehler oder Auffälligkeiten nicht nur im Einzelnen näher feststellen, sondern auch deutlich machen, weshalb sie als alkoholbedingt eingestuft worden sind. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um Fahrfehler handelt, die häufig auch nicht alkoholisierten Kraftfahrern unterlaufen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 11.09.2006; Aktenzeichen (569) 95 Ns/3041 PLs 534/06 Ve (135/06))

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. September 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafklammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 3. Juli 2006 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt, seine Fahrerlaubnis eingezogen und angeordnet, dass ihm vor Ablauf von 5 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Seine Berufung hat das Landgericht durch Urteil vom 11. September 2006 mit der Maßgabe verworfen, dass die Sperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auf 3 Monaten herabgesetzt wird. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.

Die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit ( § 316 StGB) kann keinen Bestand haben, weil die Beweiswürdigung, die der Annahme, der Angeklagte sei alkoholbedingt fahrunsicher gewesen, zugrunde liegt, unzureichend ist.

Das Landgericht ist insoweit von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Am 3. März 2006 hatte der Angeklagte mit seiner Ehefrau und Freunden eine Kinovorstellung besucht, im Anschluss daran alkoholische Cocktails zu sich genommen und sich, obwohl seine Ehefrau keinen Alkohol getrunken hatte, ans Steuer seines Fahrzeuges gesetzt, um, da beide müde waren, schnell nach Hause zu gelangen. Entsprechend seiner Neigung, gern sportlich und schneller als erlaubt zu fahren, spielte er alkoholbedingt enthemmt "an den Ampeln seine vermeintliche fahrerische Überlegenheit aus, indem er versuchte, die ebenfalls an der Haltelinie befindlichen Fahrzeuge durch Imponiergehabe zu beeindrucken und durch Schnellstarts vor diesen über den Kreuzungsbereich zu gelangen. Da... (er) im weiteren Fahrverlauf deutlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Stadtverkehr überschritt und beim Spurwechsel auch nicht den Blinker betätigte, fiel er den beiden Polizeibeamten S. und G. ... auf. (Sie)... entschlossen sich gegen 3.25 Uhr zur Überprüfung des Angeklagten. Dieser fuhr - alkoholbedingt - unbekümmert trotz vorhandenen Verkehrsaufkommens die Leipziger Straße weiterhin mit erhöhter Geschwindigkeit, die von dem Zeugen G. mit mindestens 75 km/h abgelesen wurde. Zum Zwecke des Überholens musste das Polizeifahrzeug auf ca. 100 km/h beschleunigen, ehe der Angeklagte, der zwischenzeitlich in die Stralauer Allee abgebogen war, gestellt werden konnte" (UA S. 3). Da die Beamten Alkoholgeruch in der Atemluft feststellten, führten sie mittels eines Kontrollgerätes eine Atemalkoholmessung durch, das einen Wert von 0,63 °/oo anzeigte. Daraufhin brachten sie den Angeklagten, der "ungehalten und uneinsichtig" (UA S. 4) reagierte und das weitere Vorgehen mit der Bemerkung kommentierte, sie hätten wohl Langeweile und er nähme sich sowieso einen Anwalt, zur Gefangenensammelstelle. Die dort mit dem Dräger Alcotest 7110 durchgeführte Atemalkoholmessung ergab einen Wert von 0,41 mg/l Alkohol in der Atemluft.

Bei der Würdigung dieser Feststellungen ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, dass eine Umrechnung der Atemalkoholkonzentration (AAK) in eine Blutalkoholkonzentration rechtsfehlerhaft ist. Das Ergebnis wäre lediglich eine statistische Wahrscheinlichkeitsaussage und kann deshalb allenfalls als Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit gewertet werden [vgl. OLG Naumburg NStZ-RR 2001, 105 ]. Ebensowenig ist rechtlich zu beanstanden, dass die Strafkammer angesichts der deutlich über dem Grenzwert des § 24a Abs. 1 StVG liegenden AAK des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass der Grad dessen Alkoholisierung der Annahme durch sie bedingter Fahrunsicherheit nicht entgegen steht. Allerdings sind die Anforderungen an die neben der AAK vorhandenen Beweisanzeichen für eine relative Fahruntauglichkeit um so höher, je geringer der Grad der Alkoholisierung ist. Bei einem - wie hier - niedrigeren Wert von 0,41 mg/l müssen daher die Urteilsgründe die als Anzeichen einer Fahrunsicherheit gewerteten Fahrfehler oder Auffälligkeiten nicht nur im Einzelnen näher feststellen, sondern auch deutlich machen, weshalb sie als alkoholbedingt eingestuft worden sind. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um Fahrfehler handelt, die häufig auch nicht alkoholisierten Kraftfahrern unterl...

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