Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmungen der BRAO sind keine "bereichsspezifische Sonderregelung" im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG.

2. Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts nach 43a Abs. 2 Satz 1und 2 BRAO fällt unter § 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG.

3. Der Rechtsanwalt ist wegen § 38 Abs. 3 Satz 2 BDSG im Hinblick auf § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht verpflichtet, dem Datenschutzbeauftragten mandatsbezogene Informationen zu geben, die seiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Denn die Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG enthält keine dem § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BDSG entsprechende Bestimmung, nach der sich auch bei nicht-öffentlichen Stellen die Kontrollbefugnis des Datenschutzbeauftragten auf diejenigen personenbezogenen Daten erstreckt, die der beruflichen Geheimhaltung unterliegen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 05.10.2006; Aktenzeichen 317 OWi 3235/05)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 5. Oktober 2006 wird verworfen.

Die Landeskasse Berlin trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Betroffenen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 3.000 EUR wegen einer - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Bescheides ergibt - vorsätzlichen Zuwiderhandlung nach den §§ 43 Abs. 1 Nr. 10, 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG erlassen. Auf seinen Einspruch hat ihn das Amtsgericht durch Urteil vom 5. Oktober 2006 von diesem Vorwurf aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat festgestellt: Der Betroffene, ein Rechtsanwalt, hatte als Verteidiger in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Potsdam am 23. August 2004 zwei Briefe zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht, die ein Zeuge, der mit dem Angeklagten in einem Nachbarschaftsstreit lag, an seine Hausverwaltung geschrieben hatte. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit verweigerte der Betroffene unter Berufung auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht die Auskunft, wie er in den Besitz der Briefe gekommen war.

Der Senat entscheidet über die Rechtsbeschwerde nach § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG in der Besetzung mit drei Richtern.

Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu Recht freigesprochen. Die festgestellte Auskunftsverweigerung des Betroffenen ist nicht bußgeldbewehrt.

Nach § 43 Abs. 1 Nr. 10 BDSG handelt (in der hier in Betracht kommenden Alternative) ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG eine von der Aufsichtsbehörde verlangte Auskunft nicht erteilt. Die Frage, ob der Datenschutzbeauftragte Auskunft über die Herkunft von Informationen verlangen darf, die der Rechtsanwalt im Zusammenhang mit einer Strafverteidigung erlangt und verwendet hat, ist obergerichtlich - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

Den Bestimmungen des BDSG sind auch Rechtsanwälte als nicht-öffentliche Stellen (§§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG) unterworfen, wenn sie - wie hier der Betroffene - personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG) erheben (§ 3 Abs. 3 BDSG) und nutzen (§ 3 Abs. 5 BDSG). Allerdings sieht § 1 Abs. 3 BDSG Einschränkungen vor, die den Anwendungsbereich des BDSG als Auffanggesetz begrenzen (vgl. Gola/Schomerus, BDSG 9. Aufl., Rdn. 23 zu § 1).

Nach Satz 1 dieser Bestimmung gehen dem BDSG andere Rechtsvorschriften des Bundes vor, die auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind. Soweit das Amtsgericht in den Bestimmungen der BRAO eine "bereichsspezifische Sonderregelung" im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG sieht, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Inwieweit die Subsidiaritätsklausel greift, bestimmt sich allein nach Ziel und Inhalt der mit dem BDSG konkurrierenden Vorschrift (vgl. Walz in Simitis (Hrsg.), BDSG 6. Aufl., Rdn. 170 zu § 1). Die berufsrechtlichen Bestimmungen der BRAO betreffen überwiegend den Schutz des Mandanten und das öffentliche Interesse an einer funktionierenden Strafrechtspflege, dessen selbständiges Organ der Rechtsanwalt ist (§ 1 BRAO). Der Schutz von Gegnern des Mandanten oder sonstigen Dritten ist nicht Normzweck der BRAO (Redeker in Abel (Hrsg.), NJW-Schriften 63, 2. Aufl., S. 45). Das BDSG hingegen schützt sämtliche Personen, die durch den Umgang des Rechtsanwalts mit personenbezogenen Daten beeinträchtigt werden (§ 1 Abs. 1 BDSG). Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, daß die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG schon nach ihrem Wortlaut die Verdrängung des BDSG lediglich in dem Umfang normiert, "soweit" für deckungsgleiche Sachverhalte in anderen Rechtsvorschriften abweichende Regelungen vorliegen (vgl. Walz aaO.; Gola/Schomerus aaO., Rdn. 24 zu § 1). Von der erforderlich...

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