Leitsatz (amtlich)

Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung; unzureichend begründete Versagung der Strafaussetzung bei Cannabismissbrauch des Angeklagten erst nach Tatbegehung und erstmaliger Verhängung einer Freiheitsstrafe; Bindungswirkung der rechtskräftigen erstinstanzlichen Feststellungen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 10.06.2015; Aktenzeichen (575) 222 Js 1821/13 Ls (145/14))

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Juni 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Aussetzung der Strafe zur Bewährung abgelehnt worden ist.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

2. Der in Rechtskraft erwachsene Schuldspruch im Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Mai 2014 wird dahin berichtigt, dass der Angeklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen Hehlerei sowie wegen Betruges in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren in drei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, verurteilt ist.

In der Liste der angewendeten Vorschriften in diesem Urteil wird "§ 21 Abs. 1 Nr. StVG" durch § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG ersetzt und § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB hinzugefügt.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, Hehlerei, Diebstahls im besonders schweren Fall sowie gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren in drei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, zu einer zu vollstreckenden Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und angeordnet, dass ihm vor Ablauf von 24 Monaten keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Seine dagegen gerichtete Berufung hat der Angeklagte auf den Rechtsfolgenausspruch und innerhalb dessen auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt. Das Landgericht hat die Berufung verworfen und die Maßregel aufrechterhalten. Von der - vom Amtsgericht nicht geprüften - Einbeziehung dreier Einzelgeldstrafen aus nach den hiesigen Taten ergangenen Verurteilungen in die Gesamtfreiheitsstrafe hat es gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen.

Mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision begehrt der Angeklagte die Aufhebung des Urteils, soweit ihm die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.

II.

Die Revision ist begründet. Der Senat hebt das Urteil im Umfang der Anfechtung mit den Feststellungen auf (§ 353 Abs. 1 und Abs. 2 StPO) und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

1. Aus dem Revisionsantrag und dessen Begründung ergibt sich, dass der Angeklagte sich allein gegen die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung wendet. Es handelt sich dabei nicht um eine Teilrücknahme der zunächst ohne weitere Ausführungen zum Angriffsziel eingelegten Revision, sondern nur um eine Konkretisierung, die keiner ausdrücklichen Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO bedurfte (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 359).

Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam.

a) Die Strafprozessordnung räumt dem Angeklagten bei der Entscheidung, ob und inwieweit er ein gegen ihn ergangenes Urteil angreifen will, eine weitreichende Dispositionsbefugnis ein. Das Rechtsmittelgericht muss deshalb den erkennbaren Willen des Angeklagten, seinen Angriff zu beschränken, im Rahmen des rechtlich Möglichen respektieren (BGH, NJW 2001, 3134, 3135; NStZ 1993, 97; KG, Beschluss vom 4. Januar 2012 - (4) 1 Ss 466/11 (322/11) -, juris Rn. 10). Entscheidungsteile, gegen die sich keine Seite wendet, darf es nur dann prüfen, wenn und soweit der angegriffene Entscheidungsteil mit ihnen in einem untrennbaren inneren Zusammenhang steht und deshalb nicht selbständig beurteilt werden kann (Senat, NZV 2002, 240; BGH, NJW 2001, 3134, 3135). Das ist der Fall, wenn die Feststellungen des nicht angegriffenen Teils so unzureichend sind, dass für die noch zu treffende Entscheidung eine tragfähige Grundlage fehlt (BGH NJW 1985, 1089; KG, Beschluss vom 4. Januar 2012 - (4) 1 Ss 466/11 (322/11) -, juris Rn. 10; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 16. August 2011 - 2-26/11 (REV) -, juris Rn. 7). Gleiches gilt, wenn sich der Beschwerdeführer nach dem erkennbaren Sinn und Ziel seines Rechtsmittels gegen "doppelrelevante" Feststellungen wendet (Senat, NZV 2002, 240; BGH, NJW 2001, 3134, 3135 m. w. N.) oder die Entscheidungsteile - etwa im Sinne einer "Wechselwirkung" - eng miteinander verzahnt sind und deshalb die Gefahr besteht, dass die (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben würde (BGH, aaO., m. w. N.).

Bei einer mehrstufigen Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch...

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