Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils im Rahmen des § 1570 Abs. 1, 2 BGB n.F.

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Beurteilung der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils im Rahmen des § 1570 BGB ist zu berücksichtigen, dass der Elternteil zwei noch im Schulalter befindliche Kinder betreut. Eine Vollzeitbeschäftigung ist auch bei einer bestehenden Möglichkeit einer Volltagsbetreuung durch staatliche Stellen nicht ohne Weiteres zumutbar, insbesondere wenn sich ein Kind noch in den ersten Grundschuljahren befindet.

 

Normenkette

BGB n.F. § 1570 Abs. 1; BGB § 1570 Abs. 2; BGB a.F. § 1578b Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 13.06.2008; Aktenzeichen 163 F 3752/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 13.6.2008 - 163 F 3752/08 - geändert:

Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin Karin Berg-Schaaf Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen bewilligt, soweit sie Unterhalt für die Monate April und Mai 2008 i.H.v. jeweils 153 EUR sowie ab Juni 2008 i.H.v. monatlich 303 EUR, abzgl. geleisteter Zahlungen, geltend machen will (Wert der Bewilligung: 3.636 EUR).

Im Übrigen wird der Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien waren seit dem 12.12.1996 verheiratet. Die Ehe ist seit dem 25.1.2005 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind die Kinder ..., geboren am 8.11.1996, und ..., geboren am 1.9.2000, hervorgegangen. Die Antragstellerin ist nach der im Jahr 2002 erfolgten Trennung nach ... gezogen. Der ältere Sohn besuchte im vergangenen Schuljahr das Gymnasium in der ersten Klasse, die Tochter die Grundschule in der zweiten Klasse.

Die Antragstellerin ist von Beruf Krankengymnastin. Sie übte seit einigen Jahren eine geringfügige Beschäftigung als Pflegehelferin im Krankenhaus ... bei einer Festvergütung von 142,26 EUR zzgl. Zuschlägen für Sonnabend- und Sonntagszuschlägen und Nachtarbeit aus. Auf die von der Antragstellerin eingereichten Einkommensbelege für das Jahr 2007 (Bl. 109 bis 120 d.A.) wird Bezug genommen. Seit Mai 2008 hat die Antragstellerin eine Anstellung in einer physiotherapeutischen Praxis inne, in der sie bei einer Arbeitszeit von 12 Stunden wöchentlich einen monatlichen Nettoverdienst i.H.v. 565,25 EUR erzielt. Daneben übt sie weiterhin die Beschäftigung bei dem Krankenhaus ... aus. Sie hat eine im Jahr 1998 abgeschlossene Lebensversicherung inne, für die sie seit 1.7.2007 im Quartal eine Beitrag i.H.v. 233,42 EUR zu entrichten hat.

Der Antragsgegner ist Berufssoldat. Im Jahr 2007 erzielte er ein durchschnittliches Nettoeinkommen i.H.v. 2.738,79 EUR. Zu seiner 23,5 km von seinem Wohnort in ... gelegenen Dienststelle in ... benutzt er sein privates Kraftfahrzeug. Für die Neuanschaffung eines Pkw als Ersatz für das 15 Jahre alte frühere Fahrzeug hat er im Januar 2008 einen Kredit aufgenommen, auf den er monatlich 364,91 EUR bei einer Laufzeit von drei Jahren zu zahlen hat. Ferner hat er im Dezember 2008 einen Kredit für einen Betrag von 2000 EUR aufgenommen, auf den er monatlich 85,26 EUR bis Februar 2009 zu zahlen hat. Der Antragsgegner hat diverse zusätzliche Rentenversicherungen bzw. Lebensversicherungen sowie zwei Bausparverträge abgeschlossen. Er zahlt 40,35 EUR monatlich für Krankenversicherung und 12,33 EUR monatlich für die Pflegeversicherung. Er macht durchschnittliche monatliche Aufwendungen für die Reinigung und Anschaffung von Dienstkleidung i.H.v. 37,77 EUR und 35,48 EUR geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung im Schriftsatz des Antragsgegners vom 17.3.2008 (Bl. 22 ff., 27) Bezug genommen.

Der Antragsgegner zahlt für die Kinder Unterhalt i.H.v. jeweils 294 EUR monatlich. Er zahlte an die Antragstellerin Trennungsunterhalt i.H.v. 693,32 EUR auch über die Scheidung hinaus. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 4.1.2008 ließ der Antragsgegner mitteilen, dass er aufgrund einer nunmehr bestehenden Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin nicht mehr bereit sei, den bisherigen Unterhalt weiterzuzahlen und kündigte Zahlungen von vorerst 350 EUR monatlich an, die nach einer Übergangszeit zu entfallen hätten. Der Antragsgegner zahlte von Januar bis April 2008 den genannten Betrag von 350 EUR monatlich sowie von Mai bis Juni 2008 jeweils 150 EUR monatlich.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Antragsgegner schulde weiterhin nachehelichen Betreuungsunterhalt. Mehr als die Ausübung einer Halbtagsbeschäftigung sei ihr auch unter Berücksichtigung der Belange der Kinder nicht zumutbar. Sie müsse am Nachmittag den Sohn ... bei den Hausaufgaben unterstützen. Dieser könne aufgrund einer Konzentrationsschwäche in der Gruppe nicht arbeiten, so dass er an der von der Schule angebotenen Hausaufgabenbetreuung nicht teilnehmen könne. Dies sei auch aus zeitlichen Gründen aufgrund der Schulzeiten nicht möglich. Sie b...

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