Leitsatz (amtlich)

Ein besonderes, das Schutzbedürfnis des Schuldners überwiegendes Gläubigerinteresse ist nach allgemeiner Ansicht insbesondere dann für die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung anzuerkennen, wenn gleichzeitig an mehreren Orten in verschiedene Vermögenswerte des Schuldners vollstreckt werden soll und hierfür funktionell unterschiedliche Vollstreckungsorgane zuständig sind; beispielsweise, wenn wegen der zu vollstreckenden Forderung einerseits eine Sachpfändung und eine Forderungspfändung erfolgen soll.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 19.01.2011; Aktenzeichen 124 F 18964/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 19.1.2011 - 124 F 18964/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Vollstreckung aus der erteilten, weiteren vollstreckbaren Ausfertigung von zwei Jugendamtsurkunden über Kindesunterhalt.

Das Jugendamt ...von Berlin erteilte den Gläubigerinnen, nachdem es durch Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 15.10.2010 - 124 F 18964/10 - entsprechend ermächtigt worden war (§§ 60 Satz 3 Nr. 2 SGB VIII, 797 Abs. 3, 733 ZPO) am 26.10.2010 jeweils eine zweite vollstreckbare Ausfertigung der Urkunden des Bezirksamts ...von Berlin vom 5.7.2001 - Beurkundungsregister Nr. 761/2001 T und Nr. 762/2001 T -. Der vom Schuldner hiergegen eingelegten Klauselerinnerung hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen und die Sache der Richterin vorgelegt. Der als Beschwerde anzusehenden Erinnerung des Schuldners hat das AG mit Beschluss vom 19.1.2011 nicht abgeholfen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde; er macht geltend, die zweite vollstreckbare Ausfertigung der Jugendamtsurkunden habe nicht erteilt werden dürfen, weil die Gläubigerinnen kein berechtigtes Interesse hierfür geltend gemacht hätten und schützenswerte Interessen des Schuldners entgegenstünden. Insbesondere treffe es nicht zu, dass die Gläubigerinnen in verschiedene Vermögenswerte an unterschiedlichen Orten vollstrecken würden, sondern die erste vollstreckbare Ausfertigung läge der Gerichtsvollzieherin vor, um dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung abzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 8.2.2011 und den Schriftsatz vom 8.3.2011 verwiesen.

Die Gläubigerinnen treten der Beschwerde entgegen; sie tragen im Wesentlichen vor, die erste Ausfertigung der Titel im Rahmen einer Forderungspfändung zu benötigen; insoweit verlangen sie vom Schuldner die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 836 Abs. 3 ZPO hinsichtlich bestimmter, ergänzender Auskünfte zur Geltendmachung der gepfändeten, angeblichen Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner. Die zweite vollstreckbare Ausfertigung werde dagegen für eine Sachpfändung gebraucht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 4. und 15.3.2011 verwiesen.

Der Senat hat eine Auskunft der zuständigen Gerichtsvollzieherin beim AG K.zu den erteilten Vollstreckungsaufträgen eingeholt.

II.1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft. Gegen die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung steht dem Schuldner die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO und, nach Zurückweisung, die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO zu (vgl. OLG Karlsruhe, Rpfleger 1977, 453 sowie Münzberg in Stein/Jonas, ZPO [22. Aufl. 2002], § 733 Rz. 15; 732 Rz. 8 ff.; Zöller/Stöber, ZPO [28. Aufl. 2010], § 733 Rz. 14, 732 Rz. 4, 16). Dass eine weitere Ausfertigung der Jugendamtsurkunden zwischenzeitlich erteilt wurde, lässt das Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners nicht entfallen, weil die Vollstreckung noch nicht abgeschlossen ist, sondern ihm diese unverändert droht (vgl. Münzberg in Stein/Jonas, ZPO [22. Aufl. 2002], § 732 Rz. 8). Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurde die zweiwöchige Beschwerdefrist gewahrt (§ 569 Abs. 1 ZPO).

2. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet; die Zwangsvollstreckung aus der zweiten vollstreckbaren Ausfertigung ist, entgegen der Meinung des Schuldners, nicht für unzulässig zu erklären. Die verschiedenen, von ihm vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch:

a) Soweit der Schuldner im Schriftsatz geltend macht, die Gläubigerinnen würden Unterhaltsvorschuss beziehen und die den Titeln zugrunde liegenden Forderungen seien übergegangen, kann er damit, da es sich insoweit um eine materiell-rechtliche Einwendung gegen die titulierten Forderungen handelt, im Vollstreckungsverfahren nicht gehört werden; vielmehr sind Einwendungen nach §§ 797, 767 ZPO im Familienstreitverfahren geltend zu machen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO [28. Aufl. 2010], § 766 Rz. 7; Prütting/Gehrlein-Kroppenburg, ZPO [1. Aufl. 2010], § 733 Rz. 7). Unabhängig hiervon haben die Gläubigerinnen darauf hingewiesen, dass von ihnen nur die Differenz zwischen dem titulierten und den übergegangenen Ansprüchen vollstreckt wi...

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