Entscheidungsstichwort (Thema)

keine Spruchbänder an Balkonbrüstungen

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelne Wohnungseigentümer sind nicht berechtigt, Spruchbänder mit politischen Parolen an der Hausfassade anzubringen.

 

Normenkette

GG Art. 5, 14; WEG § 14 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 08.07.1987; Aktenzeichen 191 T 248/86 (WEG))

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 07.11.1986; Aktenzeichen 76 II (WEG) 135/86)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluß des Landgerichts Berlin aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Amtsgerichts Schöneberg vom 7. November 1986 – 76 II (WEG) 135/86 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Erst- und Rechtsbeschwerdeverfahrens werden den Antragsgegnern auferlegt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens betragt 5.000,– DM.

 

Gründe

Die Antragstellerin ist Verwalterin und wie die übrigen Beteiligten Wohnungseigentümerin. Nach § 7 Abs. 2 der Teilungserklärung vom 30. Mai 1984 dürfen Schilder, Reklameeinrichtungen, Blumenkästen oder Antennen nur nach schriftlicher Einwilligung des Verwalters angebracht werden. Die Antragsgegner hatten in der Zeit vom 18. Mai 1986 bis zum 23. Juni 1986 an den zur Straßenseite gelegenen Balkonbrüstungen ihrer Wohnungen Stofftransparente mit den Aufschriften: „Auf Wackersdorf warten wir nicht”, „Tschernobyl hat uns erreicht”, „Gegen Brokdorf haben wir demonstriert” und „Stopp aller Atomanlagen” angebracht. Der Aufforderung der Antragstellerin vom 3. Juni 1986, die Spruchbänder von der denkmalgeschützten Vorderfassade des Hauses zu entfernen, sind die Antragsgegner zunächst nicht nachgekommen. Auf den am 14. Juni 1986 eingegangenen Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht Schöneberg durch Beschluß vom 7. November 1986 den Antragsgegnern untersagt, an dem Hause Plakate oder Spruchbänder anzubringen, und ihnen für Jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 5.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht in Änderung des amtsgerichtlichen Beschlusses den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

Das nach §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 Satz 1 FGG). Zwar hat das Landgericht rechtlich einwandfrei ausgeführt, daß aus § 7 Abs. 2 der Teilungserklärung, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht auch selbst auszulegen hat, nicht das Verbot folgt, Spruchbänder an den zu den Wohnungen der Antragsgegner gehörenden Balkonbrüstungen anzubringen, weil die genannte Bestimmung lediglich Schilder, Reklameeinrichtungen, Blumenkästen und Antennen, somit auf Dauer angebrachte Einrichtungen betrifft, nicht aber Spruchbänder. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aber aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Den Eigentumsfreiheitsanspruch des § 1004 BGB kann die Antragsteller in sowohl aufgrund der ihr nach § 14 Abs. 1 der Teilungserklärung eingeräumten Vollmacht zur Geltendmachung von Ansprüchen der Eigentümergemeinschaft als auch in ihrer Eigenschaft als Wohnungseigentümerin geltend machen. Denn die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des § 1004 BGB stehen dem einzelnen Wohnungseigentümer wie der Gemeinschaft gegen einen etwaigen Störer zu. Dem angefochtenen Beschluß des Landgerichts kann ferner aus Rechtsgründen nicht darin gefolgt werden, daß der Unterlassungsanspruch an der fehlenden Wiederholungsgefahr scheitert. Nach einer vorausgegangenen Störung des Eigentums sind weitere Beeinträchtigungen regelmäßig zu vermuten, so daß die Besorgnis weiterer Verletzungen von dem Anspruchsgegner zu widerlegen ist (vgl. Palandt-Bassenge, RGB 47. Aufl., § 1004 Anm. 6 c m. w. N.). Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen ist hier Jedoch von den Antragsgegnern nicht ausgeräumt worden, zumal sie weiterhin das. Recht für sich in Anspruch nehmen, Spruchbänder an der Fassade anzubringen.

Die Anbringung von Spruchbändern an der Straßenfassade des Hauses für die Dauer von über einem Monat stellt eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums aller Wohnungseigentümer dar. Die Außenflächen der Balkonbrüstungen, an denen die Spruchbänder befestigt waren, gehören zwingend zum Gemeinschaftseigentum (vgl. BayObLGZ 1974, 269 = MDR 1974, 936; BayObLG WEM 1980, 31). Die Auffassung des angefochtenen Beschlusses, die Balkonbrüstungen seien nach § 2 b) der Teilungserklärung vom 30. Mai 1984 Sondereigentum, begegnet damit rechtlichen Bedenken. Über die Gestaltung und Verwendung der Außenfassade einschließlich der Außenwände der Balkonbrüstungen hat die Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung zu befinden (§ 21 Abs, 1, 3, 4 und 5 WEG). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Anbringung von Spruchbändern an der Außenfassade eines Hauses ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann und damit einer Mehrhei...

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