Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 14.12.2009; Aktenzeichen (560) 81 Js 1897/08 Ns (108/09))

 

Tenor

1. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Dezember 2009 gewährt.

2. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 2. Dezember 2009, durch den der Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt worden ist, wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

3. Der Antrag des Angeklagten, ihm für den weiteren Verlauf des Revisionsverfahrens seinen bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung - bei Annahme eines (unbenannten) besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs gemäß § 125a StGB - zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht durch Urteil vom 14. Dezember 2009 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird. Die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt und die Kosten des Berufungs- sowie des (ersten) Revisionsverfahrens dem Angeklagten auferlegt. Einen besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs hat das Landgericht nicht angenommen. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2009, eingegangen bei den Justizbehörden Moabit am selben Tag, hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger hiergegen Revision eingelegt, die er "auf das Strafmaß und die verhängten Bewährungsauflagen beschränkt" hat. Zugleich hat er gegen die Kostenentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt und diese näher begründet. Nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils an den Verteidiger am 7. Januar 2010 hat dieser unter dem 13. Januar 2010 beantragt, dem Angeklagten wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, und gleichzeitig gegen das Urteil des Landgerichts vom 14. Dezember 2009 unbeschränkt Revision eingelegt. Dieselbe hat er am 8. Februar 2010 (Montag) begründet.

I. Das Wiedereinsetzungsgesuch hat Erfolg.

1. Der Angeklagte hat die Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO, die mit der Verkündung des Urteils des Landgerichts in seiner Anwesenheit am 14. Dezember 2009 begonnen hat und am Montag, dem 21. Dezember 2009, abgelaufen ist, versäumt. Zwar hat er innerhalb der genannten Frist Revision gegen das landgerichtliche Urteil eingelegt. Diese hat er aber zugleich auf das Strafmaß (und "die verhängten Bewährungsauflagen") beschränkt und nicht - was möglich gewesen wäre (vgl. BGHSt 38, 366; BayObLG JR 1968, 108) - innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO auf den Schuldspruch erweitert. Die Wochenfrist zur Erweiterung des beschränkt eingelegten Rechtsmittels ist mit der erst am 13. Januar 2010 erfolgten Einlegung der unbeschränkten Revision nicht eingehalten.

2. In diesen Fällen kommt grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist nach § 44 StPO in Betracht. Diese ist - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil gegen durch (wirksamen) Rechtsmittelverzicht unanfechtbar gewordene Entscheidungen die Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1984, 71). Zwar ist - da auch die Staatsanwaltschaft ihre Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat - nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zwischenzeitlich teilweise Rechtskraft eingetreten. Dies hindert die Wiedereinsetzung jedoch nicht, denn die Teilrechtskraft ist nicht infolge eines (Teil-)Verzichts auf die Einlegung von Rechtsmitteln eingetreten. In der Teilanfechtung liegt nämlich kein endgültiger Verzicht auf die Rechtsmitteleinlegung in Bezug auf den nicht angefochtenen Teil des Urteils, soweit sich aus der Erklärung selbst nichts anderes ergibt. Der Inhalt der von dem Verteidiger am 21. Dezember 2009 abgegebenen Erklärung oder die sonstigen Umstände lassen einen entsprechenden weitergehenden Verzichtswillen nicht erkennen; der Verteidiger hat einen Teilverzicht nicht erklärt. Vielmehr handelt es sich bei der Beschränkungserklärung lediglich um eine Konkretisierung des Anfechtungsumfanges (vgl. BGHSt 38, 4; 38, 366; BayObLG aaO.). Damit steht die Teilrechtskraft der Wiedereinsetzung nicht entgegen (vgl. Sarstedt, Anm. zu BayObLG aaO.).

3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß den §§ 44, 45 StPO setzt voraus, dass der Antragsteller binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) einen Sachverhalt vorträgt, der sein Verschulden an der Säumnis ausschließt, und die für die Wiedereinsetzung maßgebenden Tatsachen glaubhaft macht (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). Das hat der Angeklagte getan.

a) Sein Verteidiger hat mit dem Wiedereinsetzungsge...

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