Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 12.03.2021; Aktenzeichen 105 O 18/21)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 12.03.2021 - 105 O 18/21 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Antragsgegner, da dieser unberechtigt als ihr Geschäftsführer auftrete. Gesellschafter der Antragstellerin sind die ... eine Gesellschaft ... Rechts, mit einer Mehrheitsbeteiligung von 58,65 % der Geschäftsanteile, die ... ebenfalls eine Gesellschaft ... Rechts mit Sitz ..., mit einer Beteiligung von 26,35 % und ... mit einer Beteiligung von 15 %. Der Antragsgegner war neben ... Geschäftsführer der Antragstellerin. Diese wurden auf einer Gesellschafterversammlung vom 26.02.2021 mit den Stimmen der ... abberufen.

II. Die sofortige Beschwerde ist nach § 567 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber unbegründet.

Die Antragstellerin hat keinen Verfügungsanspruch, da der Abberufungsbeschluss nach summarischer Prüfung analog § 241 Nr. 1 AktG nichtig ist.

Entsprechend § 241 Nr. 1 iVm. § 121 II, III 1, IV AktG sind Gesellschafterbeschlüsse nichtig, wenn die Versammlung von einer nicht dazu befugten Person einberufen worden ist, wenn nicht alle Gesellschafter eingeladen worden sind, wenn die Einladung nicht schriftlich oder ohne Unterschrift erfolgt ist oder nicht Ort und Zeit der Versammlung angibt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein in einer Gesellschafterversammlung gefasster Beschluss entsprechend § 241 Nr. 1 AktG weiter dann nichtig, wenn der Einberufungsmangel einer Nichtladung der Gesellschafter gleichkommt. Ein Ladungsmangel kommt dann einer Nichtladung gleich, wenn eine Ladung dem Gesellschafter seine Teilnahme in einer Weise erschwert, die der Verhinderung seiner Teilnahme gleichsteht. Denn dann wird ihm die Ausübung dieses unverzichtbaren Gesellschafterrechts ebenso entzogen wie im Fall der Nichtladung (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.2016 - IX ZB 32/15, NZG 2016 S. 552 Rn. 21, beck-online; Urteil vom 13.02.2006 - II ZR 200/04, Rn. 13, juris). Einen solchen Fall hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen.

1. Die Einladung zur Gesellschafterversammlung am 26.02.2021 ist der ... ansässigen Gesellschafterin ... Investments Limited (im Folgenden ...) ausweislich der E-Mail ihres Direktors vom 25.02.2021, Anlage AS 25, jedenfalls am 24.02.2021 zugegangen.

a) Dieser Termin liegt mit zwei Tagen so kurzfristig vor der Versammlung, dass er einer Nichtladung gleichkommt. Denn zu den üblichen Vorbereitungsmaßnahmen wie Anreise oder Organisation einer Vertretung sowie der inhaltlichen Vorbereitung kommen die Erschwernisse durch die Corona-Pandemie hinzu, welche schon ohne Quarantäneverpflichtung bestehen.

b) Hinzu kommt eine Quarantänepflicht von - im Falle der Verkürzung - mindestens 5 Tagen gemäß § 23 I der SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in der maßgeblichen Fassung vom 11.02.2021 (GVBI. Berlin Nr. 11/2021 S. 119f.), welcher dem § 24 späterer Fassungen entspricht. Bei Beachtung dieser Frist war eine Teilnahme unmöglich. Wenn sich das einberufende Organ in Zeiten der Pandemie für die Durchführung einer Präsenzversammlung entscheidet, so muss es den hierfür geltenden normativen Rahmen bei der Bemessung der Einberufungsfrist berücksichtigen.

Eine Ausnahme von der Quarantänepflicht gemäß § 22 III Nr. 4 (§ 23 III Nr. 4) ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht anzunehmen, da ein Gesellschafter keinem Arbeitnehmer, Auftragnehmer oder einem Auszubildenden gleichsteht. Hierauf weist das Landgericht zutreffend hin. Für eine erweiterte Auslegung der Vorschrift besteht schon nach allgemeinen Grundsätzen, wonach Ausnahmetatbestände eng auszulegen sind, kein Anlass. Darüber hinaus ist auch vom Zweck des Infektionsschutzes her nicht ersichtlich, warum eine Gesellschaft bei der Anberaumung einer Versammlung den Quarantänebestimmungen im Regelfall nicht soll Rechnung tragen können. Zudem hat der Gesetzgeber in § 2 COVMG (Gesetz vom 27.03.2020, BGBI. I 569, 571) eine temporäre, nunmehr bis zum 31.12.2021 verlängerte Ausnahme von § 48 Il GmbHG zugelassen, wonach Beschlüsse der Gesellschafter im sogenannten Umlaufverfahren in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können (vgl. im Einzelnen Schindler, in BeckOK GmbHG, § 48 Rn. 95a).

2. Die Gesellschafterin ... musste sich nach richtiger Auffassung des Landgerichts nicht auf eine mögliche Vertretung verweisen lassen. Das einberufende Organ kann einen Gesellschafter nicht verpflichten, sich in der Versammlung vertreten zu lassen, selbst wenn eine solche Vertretung rechtlich und tatsächlich möglich wäre und in der Vergangenheit durchgehend erfolgte. Eine Verpflichtung zu einer Vertre...

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