Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe, Festsetzung gegen unterlegenen Gegner auf den Namen der vom beigeordneten Rechtsanwalt vertretenen Partei, Streit um Wirksamkeit von Erfüllungshandlungen ggü. der Partei während der vom Rechtsanwalt im eigenen Namen betriebenen Kostenfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt muss sich im Hinblick auf sein Beitreibungsrecht aus § 126 Abs. 1 ZPO trotz der Vorschrift des § 126 Abs. 2 S. 1 ZPO solche Erfüllungshandlungen einschließlich einer Aufrechnung durch den Erstattungsschuldner ggü. der vom beigeordneten Anwalt vertretenen Partei entgegenhalten lassen, die während des rechtswirksamen Bestehens einer Kostenfestsetzung zu Gunsten der Partei selbst erfolgt sind (Bestätigung von KG, Beschl. v. 29.1.2002.-1 W 601/01, JurBüro 2002, 374 = KGReport Berlin 2003, 245).

2. Ist streitig, ob eine solche Aufrechnung im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt und daher das Beitreibungsrecht des beigeordneten Rechtsanwalts nicht beeinträchtigt, so hat die Festsetzung zu Gunsten des Rechtsanwalts ohne Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes zu erfolgen; dieser ist mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen.

3. Die Kostenfestsetzung zu Gunsten des beigeordneten Rechtsanwalts soll erst erfolgen, nachdem der vorher zu Gunsten der Partei erwirkte Titel herausgegeben wurde und die Partei auf ihre Rechte aus dem Titel verzichtet hat; dabei handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Voraussetzung, um den Erstattungsschuldner vor der Gefahr einer doppelten Vollstreckung zu schützen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 18.07.2001; Aktenzeichen 23 O 465/00)

 

Tenor

In Änderung der angefochtenen Entscheidung werden als nach dem Urteil des LG Berlin vom 18.7.2001 und gem. § 126 ZPO von der Klägerin an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) - Rechtsanwalt Dr. T. zu erstattende Kosten erster Instanz 27.860,29 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.3.2003 festgesetzt.

Der zugrunde liegende Titel ist gegen Sicherheits leistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerde verfahrens nach einem Wert von 27.860,29 Euro zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend. Das LG hat der Beklagten zu 1). Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 14.12.2000 bewilligt und ihr Rechtsanwalt Dr. T. beigeordnet. Durch Urteil vom 18.7.2001 hat es die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten auferlegt. Rechtsanwalt Dr. T. beantragte unter dem 18.9.2001, die Kosten "gemäß § 104 ZPO festzusetzen". Gegen den zu Gunsten der Beklagten zu 1). ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4.10.2001 legte die Klägerin sofortige Beschwerde mit dem Ziel der Herabsetzung des festgesetzten Betrages ein. Mit rechtskräftigem Beschluss des KG vom 30.1.2002 - 3 W 146/01 - wurden die von der Klägerin an die - nicht vorsteuerabzugsberechtigte - Beklagte zu 1) zu erstattenden Kosten der ersten Instanz auf 32.317,94 Euro (= 63.208,40 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 18.9.2001 festgesetzt. Vollstreckbare Ausfertigung dieses Beschlusses wurde dem Beklagtenvertreter am 20.2.2002 erteilt.

Durch Urteil vom 13.3.2003 hat das KG - 10 U 323/01 (KG, Urt. v. 13.3.2003 - 10 U 323/01)- die Berufung der Klägerin auf ihre Kosten zurückgewiesen. Unter dem 19.3.2003 beantragte Rechtsanwalt Dr. T. zunächst, die Kosten der zweiten Instanz gem. § 104 ZPO festzusetzen. Am 26.3.2003 folgte ein weiterer Antrag, die anwaltlichen Vergütungsansprüche erster und zweiter Instanz gem. § 126 ZPO zu Gunsten der Rechtsanwälte D, B, M (Antragsteller) festzusetzen. Auf Hinweis des LG nahm der Beklagtenvertreter den Antrag vom 19.3.2003 zurück.

Mit Beschluss vom 1.9.2003 hat das LG - insoweit rechtskräftig - die nach dem Urteil des KG vom 13.3.2003 von der Klägerin an Rechtsanwalt Dr. T. zu erstattenden Kosten der zweiten Instanz festgesetzt. Die Festsetzung der Kosten erster Instanz hat es abgelehnt, da diese bereits mit Beschluss vom 4.10.2001 berücksichtigt seien.

Der Beschluss vom 1.9.2003 wurde dem Klägervertreter am 12.11.2003 zusammen mit dem Antrag vom 26.3.2003 zugestellt. Der Beklagtenvertreter hat den Beschluss seinen Angaben zufolge am 18.11.2003 erhalten. Er hat am 2.12.2003 sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Festsetzung auch der Kosten erster Instanz gem. seinem Antrag vom 26.3.2003. Mit Beschwerdeerwiderung vom 19.12.2003 hat die Klägerin Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt. Sie beruft sich auf die mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten Dr. Rö. an Rechtsanwalt Dr. T. vom 21.11.2003 (Anlage BG 1) - zugegangen laut EB von Dr. T. am 25.11.2003 (BG 3) - namens der Klägerin erklärte Aufrechnung gegen die Erstattungsforderung der Beklagten zu 1) aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 4.10.2001 i.d.F. des Beschlusses des KG vom 30.1.2002 i.H.v. 32.317,94...

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